Flashback To India

Jeder Europäer, der nach Indien kommt,

lernt Geduld, wenn er keine hat,

und verliert sie, wenn er sie hat.

Aus Indien

Nicht zum ersten Mal bin ich an diesem Nachmittag an der Station „Little India“ ausgestiegen und fühlte mich fast wieder wie in Bangalore, der Stadt in Südindien, in das unsere Familie 2011 umgezogen war. Sofort empfängt mich das bunte Treiben hier, die farbenfrohe Kleidung der Menschen erinnert mich an die quirligen Straßen in der Millionenstadt, die wie ein großes Abenteuer damals vor uns lag. „Kinoprogramm“ durch die Fensterscheibe auf jeder Autofahrt im dichten und lauten Verkehr, ich konnte den Blick anfangs gar nicht abwenden. Lautes Hupen ist hier in Singapur nicht zu hören und auch die Rikshas und Kühe fehlen im Straßenbild. Trotzdem liebe ich dieses Viertel, das mich so sehr an die Zeit damals erinnert.

Heute wartete Charlotte unser Guide für eine Deepavali-Tour am Eingang auf uns Teilnehmer. Sie hatte frisch duftende Jasminarmbänder für alle dabei und natürlich auch Bindis, die Punkte für das dritte Auge. Roter Punkt bedeutet „verheiratet“, schwarzer Punkt „unverheiratet“, alle anderen Farben sind nur für die modischen Geschmäcker eingeführt worden. Im Tempel bekommt man die klassische Variante, rotes Pulver steht gleich in riesigen Schüsseln am Eingang bereit. Als alle Teilnehmer versorgt waren, erklärte sie uns die bevorstehenden Festlichkeiten rund um das indische Lichterfest, das ungefähr unserem Weihnachtsfest entspricht. Neun Tage wird gefeiert, die Familie kommt zusammen, Tempel werden besucht, Feuerwerk (vor allem in Indien) wird abgebrannt, dass es so richtig kracht, es gibt sehr viel zu essen und natürlich auch Geschenke. Alles wird mit unzähligen bunten Lichtern geschmückt. Sie erzählte uns einige spannende geschichtliche Fakten zum Viertel und zeigte historische Fotos. Auch die hier aufgestellten Guinessbuchrekorde durften nicht fehlen. Ich verrate nichts, die nachfolgenden Tourteilnehmer sollen selbst lachen dürfen.

Betelblätter

Es zog uns in durch die Seitenstraße vorbei an den kleinen Ständen, die auch heute den schönen Blumenschmuck im Angebot haben. Gerne tragen indische Frauen diesen im Haar, aber auch für die Dekoration der Gottheiten werden diese Girlanden benutzt. Es duftet nach Obst, Räucherstäbchen und Jasmin – ein Genuss für alle Sinne.

Weiter ging es entlang der Buffalo Road, deren Name von den Kühen stammt, die es hier früher reichlich im indischen Viertel gab. Der Milchmann kam direkt mit der Kuh vor die Haustür zum Melken, frischer geht es nicht. Kühe sind bekanntlich heilig für die Hinduisten und werden auch heute noch verehrt. In Bangalore taten mir die manchmal sehr abgemagerten Kreaturen leid, wenn sie im Müll der Straße nach Essbarem suchten. Mitunter sterben die Tiere an den Plastiktüten, die zusammen mit dem Abfall verspeist werden. Viele Besitzer kümmern sich aber weiterhin sehr gut um ihrer Tiere und lassen sie in den Dörfern auf frischen Wiesen grasen, schmücken sie prächtig für Feste und schätzen ihren Wert für die Familie.

Heute nur noch ausgestopfte Tier im Straßenbild.

Wir machten Halt am Shree Lakshminarayan Tempel, der eher ein untypisches Aussehen für einen indischen Tempel hat. Die roten Dreiecke auf weißem Grund wirken eher wie eine HDB Fassade, auch die sonst reichhaltige Verzierung mit Gottheiten und Tieren fehlt. Den Tempel gibt es seit 1969, er wurde hauptsächlich für die aus Nordindien stammenden Hinduisten in Singapur erbaut. Der Eintritt wurde uns trotz Covid-Restriktionen erlaubt. Ich erinnere mich sofort an unseren ersten Tempelbesuch auf dem Weg in die Nandihills nördlich von Bangalore. Der Priester dort feierte eine Puja (Zeremonie) mit unserer Familie. Gegen einen kleinen Geldbetrag sprach der Priester Gebete, dabei wurde eine Öllampe über den Köpfen oder vor dem Gesicht gekreist. Auch heiliges Wasser bekamen wir ins Gesicht gespritzt und am Ende den obligatorisch roten Punkt zwischen die Augen auf der Stirn platziert. Auch hier in Singapur sehe ich sehr viele kleine Schreine in den Hawkercentern, an denen die Menschen beten. Im Tekkamarkt hat wohl jeder Ladenbesitzer seinen kleinen eigenen Schrein, an dem er täglich eine Puja abhält, um seiner Gottheit zu huldigen, für bessere Geschäfte, Gesundheit in der Familie und alle anderen Wünsche.

Gleich um die Ecke des Tempels befindet sich eine weitere historische Sehenswürdigkeit des Viertels, das Tan Teng Niah. Die Villa, die um 1900 von einem aus Indien stammenden Geschäftsmann erbaut wurde vereint chinesische und europäische Gestaltungsmerkmale. So finden sich typische chinesische Dachziegel, schwingende Türen und eine sehr bunte Fassade, die erst nach der Rekonstruktion angebracht wurde. Ein sehr beliebtes Fotomotiv für Touristen oder momentan für die hier lebenden Ausländern.

Tan Teng Niah

Zeit für eine kleine Pause. Indien ist bekannt für seine vegetarische Küche und den Chai. Charlotte führte uns zu einem kleinen Restaurant, welches beides im Abgebot hatte. Wir testeten mit Milch aufgekochten Ingwertee, Pratas (eine Art Pfannkuchen) und weitere indische Snacks. In Little India gibt es wirklich sehr autentische Küche, die für jeden Geschmack etwas bietet. Wer schon einmal einen 24 Stunden gekochten schwarzen Dhal (Linsengericht) mit frisch gebackenem Naanbrot gekostet hat, wird immer wiederkommen. Meine Kinder, damals noch jünger, ernährten sich während unserer Zeit in Indien mit Vorliebe von Gemüsereis, Naanbrot, Pratas und süßen Chapatifladen. Auch für das Nachkochen von indischen Gerichten ist Little India der beste Anlaufpunkt, denn hier finden sich alle Zutaten und Gewürze für die indische Küche.

Die Offenheit der indischen Bevölkerung ist und war mir immer eine Freude. Ein Lächeln auf dem Gesicht, Interesse an der Herkunft und ein freundliches Gespräch – in Bangalore Alltag. Auch hier im indischen Viertel ist es ein Leichtes mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Als Fotografin erlebt man selten ein „Nein“ bei der Bitte nach einem Foto. Und das Strahlen im Gesicht der Menschen, denen ich immer wieder auch ausgedruckte Fotos von sich geschenkt habe, ein unbezahlbarer Moment.

Vorbei an einem der haushohen Wandmalereien zog es uns in die Serangoon Road, Hauptverkehrsader durch das immer belebter werdende Viertel. Gegen frühen Abend strömen immer mehr Menschen in die Läden, Restaurants und Tempel. Wir hatten noch eine Sari-Vorführung vor uns.

Meinen Sari hatte ich mir damals für einen Wohltätigkeitsball schneidern lassen. Allein die Stoff- und Farbauswahl stellte schon eine ziemliche Herausforderung dar. Bei dem vielfältigen Angebot nimmt man am besten eine indische Bekannte oder wenigstens eine Freundin zur Beratung mit. Ein Sari besteht zu Beginn aus einer einzigen langen Stoffbahn, die schon so gewebt und bestickt ist, dass daraus ein seperates Oberteil maßgeschneidert werden kann. Der Rest wird in einer komplizierten Technik um den Körper gewicktelt, dabei aufwendig gefaltet. Das bekommt man allein so gut wie gar nicht hin. Mir hat damals unsere Angestellte geholfen und alles mit Sicherheitsnadeln festgesteckt, damit das fertige Outfit den Abend übersteht. Wenn er einmal sitzt fühlt es sich wirklich sehr elegant an und man schwebt quasi wie eine Königin durch den Ballsaal. Der Aufwand hatte sich gelohnt. Danach habe ich mir den Sari so umnähen lassen, dass er sich quasi wie ein Rock mit langem Tuch anziehen lässt und nur die „Schärpe“ richtig gefaltet und festgesteckt werden muss.

Moderne Stoffe mit Animalprint sind der Renner momentan.
Aufwändige Stickerein auf Seide oder Leinen
Unser Model Miriam sollte sich einen Sari zulegen.

Je mehr sich die Sonne neigte und langsam der Abend anbrach, umso hektischer wurde es in den Straßen und Gassen. Überall strömten die Menschen, um sich mit den für Diwali (nordindische Schreibweise) notwendigen Dingen einzudecken. Die Geschäfte haben vor den Läden noch weitere Zelte aufgestellt, um Tischfeuerwerk, kleine Knaller, Lichterketten, Kerzen, Rangolifarben, Blumenschmuck und Süßigkeiten anzubieten. Jeder trägt einen oder mehrere Beutel nach Hause, um zu schmücken und den 14.11. vorzubereiten. Deepavali (südindische Schreibweise) feiert man immer am Neumondstag 20 Tage nach Dashahara, einem weiteren hinduistischen Fest. Ja, die indische Bevölkerung hat sehr viele Feiertage, ähnlich der vielen Gottheiten, die verehrt werden. In Indien haben wir einfach immer alles mitgefeiert, sei es das Ganeshafestival, das Shivafestival, Holi (Frühlingsfest) oder die Fahrzeugzeremonie. Jedesmal waren wir mit Begeisterung dabei und tauchten ein wenig tiefer in die kulturellen Höhepunkte des Landes ein.

Aus dem Sri Veeramakaliamman Tempel an der Ecke Belilios Road / Serangoon Road drangen helle Glockenschläge und Gesang von einer Musikanlage. Auch wenn keine Zeremonie stattfindet lohnt sich ein Blick ins Innere, wenn man hier vorbei kommt. Schließlich ist er einer der ältesten Hindu-Tempel in Singapur und jetzt auf dem bergähnlichen Dach ganz typisch verziert. Mit kurzem Halt am Chapatistand und einer Erklärung zur Alkohlverbotszone schlendern wir durch die im Abendlicht leuchtenden Straßen, die gesäumt sind von den altehrwürdigen Townhouses dem Endpunkt unserer Tour entgegen. Wer wollte konnte sich noch eindecken mit Lichtwerk für die eigene Wohnung oder in einem der Restaurants den Abend gemütlich ausklingen lassen. Die aufwendig installierte Lichtdekoartion entlang der Serangoon Road sollte man sich auf keinen Fall bei Dunkelheit entgehen lassen. Eine wahrer Augengenuss.

Eine kleine Reise nach Indien

Die MRT bringt mich vier Stationen bis Little India. Nach der Rushhour ist es ruhiger, alle starren in ihre Telefone. Chats, Spiele, Video, Surfen durch die digitale Welt. Im Untergrund gibt es nichts zu sehen, außer andere Menschen, die momentan alle mit Masken verhüllt sind. Kommunikation ist quasi verboten, Lautsprecherdurchsagen ermahnen alle, während der Fahrt nicht zu sprechen oder zu telefonieren. Es sollen keine Viren verteilt werden. Lange Rolltreppen führen mich wieder ans Tageslicht. Schon an der ersten Ecken des indischen Viertels geht es hektisch zu, Waren werden ausgeladen, leere Gasflaschen eingeladen, viele Frauen strömen in Richtung Markthalle und der vielen kleinen Läden des Tekka Zentrums. Es dringt der Duft von Räucherstäbchen in meine Nase, ich liebe ihn, aber nur hier.

An den drei Geldautomaten bilden sich Schlangen, hier zählt Bargeld. Im Hawkercenter hat noch keiner der Stände eine elektronische Zahlmöglichkeit eingeführt. Also reihe ich mich ein und hole mir ein paar Dollar für den Tag. Eine vereinzelte Taube kreuzt meinen Weg. Auf der Treppe hoch zur Halle sind Wandmalereien zu sehen und ich warte einen Moment, um sie einzufangen mit meiner Kamera. Überhaupt ist es hier nicht ganz so perfekt, wie an anderen Orten in der Metropole. Kabel hängen von der Decke, die Wände haben Flecken, der Boden ist nicht blitze blank.

Ein kleines Mädchen sitzt an einem der Tische und hält eine Barbiepuppe in der Hand. Sie ist eine kleine „Frozen“ Liebhaberin, Maske, Kette und die Puppe im Elsakostüm verraten es sofort. Ihre langen schwarzen Haare sind geflochten und die tiefbraunen Augen lachen mich an. Ich frage sie, ob sie Elsa mag. Den Film hat sie schon zwei Mal gesehen, ihre Mama ist gerade einkaufen. Perfektes Englisch. Ich fotografiere sie. Das Foto mag sie und lächelt noch einmal, bevor ich mich verabschiede.

Das Tekka Zentrum ist eine kleine Insel im indischen Viertel mit großer Markthalle im Erdgeschoss und vielen kleineren Geschäften darüber. Ebenerdig gibt es ein Hawkercenter, in dem schon am späten Morgen fast alle Plätze belegt sind. Kaffee wird geschlürft, Speisen aller Arten verzehrt, eine Zigarette geraucht oder einfach nur ein Plausch mit dem Nachbar gehalten. Die Kreuze auf den Tischen, die verbotene Sitzplätze markieren, interessieren hier nicht immer. Der Innenhof des Gebäudes lässt Licht in die untere Etage scheinen, Vögel ziehen ihre Kreise darüber und wenn der Wind ein Lüftchen nach unten schickt, öffnen sich die Sari-Kleider, die an langen Kleiderstangen im oberen Stockwerk aufgereiht hängen, wie Blumenblüten.

Mit meiner Kamera und europäischem Aussehen falle ich natürlich auf, es treffen mich freundliche aber auch misstrauische Blicke. Touristin? Die meisten reagieren sehr nett und lächeln zurück, wenn ich versuche mit den Augen eine freundliche Geste zu machen. Meine Scheu Menschen zu fotografieren muss ich wieder ablegen, vielleicht versuche ich es erstmal im oberen Stockwerk. Da scheint es weniger betriebsam zu sein um diese Tageszeit. Viele geschlossene Metalltore erwarten mich dort, wie Garagen aneinander gereiht. Davor und dazwischen Stühle aller Couleur, aus Plastik oder Holz, Hocker, Drehstühle – verwaist – warten sie auf ihre Besitzer. Einige der Läden sind bereits geöffnet. Schneider sitzen an ihren Nähmaschinen und arbeiten die wenigen Aufträge ab, die sie haben. Vor einem riesigen Sariladen stehen vier junge Leute, die sich interessiert die bunten Kleider anschauen, auf Schaufensterpuppen drapiert. Vielleicht naht eine Hochzeit oder eine andere Feierlichkeit. Ich biege um die erste Ecke und mir folgt ein Mann in grünem Shirt und grün-weißer Takke (muslimische Kopfbedeckung). Er trägt sein Essen und einen Beutel gefüllt mit Kaffee zu einem der Tische vor den Garagen. Ich frage ihn, ob es sein Laden ist und er zeigt auf eines der silbernen Tore in der Nähe. Keramikstatuen verkaufe er dort, ich soll wiederkommen, er öffnet bald. Ich bitte ihn um ein Foto und er willigt ein, nimmt sogar die Maske ab. Er wirkt etwas verwirrt und ich habe das Gefühl er steht unter Drogen, aber vielleicht täusche ich mich auch und er ist einfach nur müde. Beim nächsten Marktbesuch werde ich schauen, was er anzubieten hat.

Heute schleiche ich weiter durch die ruhigen Gänge. Leere Plastikkörperoberteile von Schaufensterpuppen hängen überall. Viele der Garagen werden heute wohl nicht mehr geöffnet. Oder erst gegen Abend, wenn das Viertel zu mehr Leben erwacht. Ein kleiner Bereich dient als Gebetsplatz mit Altar, Statuen und Heiligenbildern. Es werden Blumen gebracht und Räucherstäbchen entzündet. Eine Puja gehört für viel der Hinduisten vor Ladenöffnung zum Alltag, auch in den bereits geöffneten Läden entdecke ich Menschen, die ihren Göttern dort mit einem Gebet, Kerzen und Blumengirlanden huldigen. Es verhilft vielleicht zu mehr Kundschaft, die hier gerade alle sehr gut gebrauchen können.

Von oben bietet sich mir ein Überblick auf die unzähligen Verkaufsstände in der Markthalle. Fisch, Fleisch, Eier, Obst und Gemüse, Gewürze und Blumen. Alles wird hier angeboten und in den Gängen tummeln sich viele Menschen, auf der Suche nach ihren Bedürfnissen für heute. In den kleinen Kapuffs arbeiten oft drei bis vier Leute zusammen. Zerteilen Fleischteile, nehmen die Fische aus oder wiegen das Gemüse ab. Ich könnte stundenlang über die Brüstung gehängt zuschauen, wie ein Film läuft hier das Leben Minute um Minute ab.

Der Duft ist an jeder Ecke der großen Halle anders intensiv. Ich frage mich, wer diese Mengen an Fisch und Fleisch heute hier kaufen wird. Auf dem Weg nach unten passiere ich noch zwei drei kleinere und einen größeren Laden für Kleidung. Eine Frau schiebt gerade das blecherne Tor ihres eigenen Geschäfts nach oben, ohrenbetäubendes Quietschen. Ein mich anlächelnder Ladenbesitzer rückt seine Schaufensterpuppen zum Verkauf zurecht. Ganz hinten im Laden steht eine von ihnen und starrt genau in meine Richtung. Ich mag diese Puppen sehr, hier gibt es viele schöne mit aufwendig bemalten Gesichtern. Die Treppen führen mich hinunter ins Erdgeschoss. Auf einer der Stufen sitzt ein Mann und zählt seine Geldscheine.

Im Getümmel der Markthalle ist es erstaunlich leise, Covid bestimmt hier ebenso den Alltag. Es wird wenig gesprochen, alle tragen stoisch ihre Masken. Ich fließe mit dem menschlischen Fluss durch die Gänge, halte hier und dort an, Ausschau haltend nach einem Motiv. Eine ältere Frau zerteilt Jackfruits in verzehrgerechte Stücke. Ein noch etwas älterer Mann steht neben ihr und verwickelt sie in ein Gespräch. Als er mich und meine Kamera entdeckt, fordert er mich auf, die Frau zu fotografieren. Sie würdigt mich keines Blickes und stattdessen frage ich ihn, eine Aufnahme machen zu dürfen. Dann ziehe ich weiter vorbei an den Fisch- und Fleischständen, den Eierverkäufer entdecke ich fast nicht in seinem zugestellten Lädchen. Vom Gemüse kaufe ich einige Teile, damit ist das Mittagessen gesichert. Es duftet nach Koriander, Pandanblättern und Curry. An einem Stand gibt es nur frische Bananenblätter zu kaufen, die in großen Stapeln gefaltet aufgeschichtet werden. Ich mag den Markt und seine Betriebsamkeit.

Der Durst treibt mich in das kleine Hawkercenter, in dem jetzt gegen 11 Uhr einiges mehr los ist, als bei meiner Ankunft. Es wird Suppe geschlürft, Reis gelöffelt, Kaffee und Fruchsäfte erfreuen sich großer Beliebtheit. Ein eiskalter Kopi (Kaffee), der hier stark gebrüht und mit Zucker und Milch serviert wird, ist genau das Richtige jetzt. Am Stand nebenan preist der Besitzer seine frisch auf der heißen Ofenplatte gebackenen Pratas zum Verzehr an. Ich bestelle einen mit Honig gefüllten Fladen. Das aus Indien stammende Brot ist auch in Singapur sehr beliebt. Essen kann man es quasi den ganzen Tag über, mit Currysoßen oder als süße Variante (wohl eher für die Touristen). Eine Art Pfannkuchen, dessen Teig vor dem Backen gezogen und durch die Luft gewirbelt wird, ähnlich dem Pizzateig in Italien. Der noch jung wirkende Mann hinter dem Herd hat nur noch ein funktionstüchtiges Auge. Er lächelt die ganze Zeit und macht seine Arbeit sichtlich mit großer Freude. Der heiße frische Prata ein Gedicht. Ich setzte mich zu zwei jungen Frauen an den runden Tisch. Als sie fertig sind, kommt der Bäcker für eine kurze Pause zu mir. Seine Schicht geht immer von 6 Uhr morgens bis 3 Uhr am Nachmittag. Ich frage ihn, ob er Kinder hat, er lächelt und sagt: drei Enkelkinder. Schon im Weggehen ruft er mir noch sein Alter zu, 51. Zumindest er hat noch Kunden und wird seine Familie versorgen können.

Auf dem Heimweg kaufe ich noch Linsen, Reis, Ghee und schwarzen Tee in einem der kleinen Geschäfte am Rande der Markthalle. Und schwups bin ich wieder in Singapur und habe Indien für heute verlassen. Zum Glück ist das Reisen hier in der Stadt noch möglich, wenn auch mit Maske und Abstand.

Weihnachten kann kommen

Unsere Visa erreichten uns pünktlich 3 Stunden vor der Abschiedsparty und so stand einer zünftigen Feier nichts mehr im Weg. Es ist noch gar nicht so lange her, da feierten wir im Deutschland gleich 3 Mal Abschied und auch hier in Indien stehen noch die beiden Party’s in der Schule auf dem Programm. Dort gibt es dann für die Freunde von Charlotte und Ella eine Torte und Fotos zur Erinnerung.

Good Bye
Abschiedstorte

Es ist also wieder an der Zeit Abschied zu nehmen. Wir haben uns sehr gefreut, dass so viele Freunde gekommen sind, um mit uns einen netten Abend zu verbringen. Ein letztes Mal bestellten wir den Tattoomaler für die Kinder, aber auch einige der Erwachsenen ließen sich von ihm verzieren. Bei Musik und gutem Essen verging der Abend wie im Flug.

Rauch
Räuchermann geht auch bei heißen Temperaturen.

Zwischen all dem Umzugsstress und eingepackten Kiste, dem Campingfeeling im Haus und der Verabschiedung von Freunden kommt ab und zu etwas Adventsstimmung auf. Die Räuchermänner funktionieren auch bei warmem Wetter, ob die schwitzen, kann ich nicht beurteilen. Es gab sogar ein Stück Stollen, den meine schweizer Freundin gebacken hatte. Und für die Kinder kam wie jedes Jahr am 1. Dezember der Elf on the shelf und am 6. Dezember natürlich der Nikolaus. Gut gefüllte Stiefel machten die Augen strahlend und die Schokolade aus dem Adventskalender schmeckt ebenfalle jeden Morgen herrlich.

Nikolausi
Zum 2. Mal in Indien – der Nikolaus hat uns gefunden!

Elf
Der Elf rockte auch mit.

Ein weiteres vorweihnachtliches Highlight stand am Wochenende auf dem Programm. Die deutsche Gruppe hier in Bangalore veranstaltet wieder ihre Weihnachtsfeier, ein Ereignis das wir nicht verpassen wollten. Im einem der vielen Hotels wurde zum Brunch mit Rahmenprogramm eingeladen. Auch ein kleiner Verkaufsstand zog die Besucher an, dort gab es Gebäck und kleine Geschenke zu kaufen. Gegen späteren Nachmittag schaffte es dann sogar der Weihnachtsmann durch den dicken Verkehr von Bangalore. Die Kinder bekamen ihre Geschenke nachdem ein kleines Kulturprogramm mit indischen Tänzen und deutschem Liedgut die Zuschauer erfreute.

Wurst und Haribo
Typischer Kinderteller bei der deutschen Weihnachtsfeier.

Kultur
Indische Tänzerinnen im Kulturprogramm

Rotkittel
Der Weihnachtsmann in Bangalore

Seit gestern wohnen wir im Hotel und morgen Nacht geht der Flieger nach Deutschland. Auch wenn es vielleicht keine weiße Weihnachten mehr gibt, freuen wir uns auf die Heimat und alle unsere Lieben, um gemeinsam ein paar ruhigere Tage dort zu verbringen. Hoffentlich frisch ausgeruht geht es in der ersten Januarwoche neuen Ufern in Peking entgegen. Darauf freuen wir uns natürlich ebenfalls.

Der Visaantrag läuft

Ein wichtiger Schritt in Richtung Visaerteilung ist getan. Als gestern endlich die bereits sehnsüchtig aus China erforderlichen Dokumente ankamen, schickten wir heute unseren Visantrag mit den Pässen nach Mumbai. Daumen drücken, dass nichts fehlt. Die Dokumentenliste war gigantisch lang und wir brauchten mehrere Wochen, um alles zu organisieren. Aus Indien kommend scheint die ganze Situation nicht einfacher zu machen. Spätestens am 19. Dezember möchten wir die Pässe mit den Visa gern in unseren Händen halten.

DHL
Mit deutsch-indischer Pünktlichkeit trudeln die wichtigen Dokumente ein.

Alien
Oh Gott, ich bin mit einem ALIEN verheiratet!

In der Zwischenzeit beginnt hier das große Packen und Sortieren im Haus. Ein paar Kisten stapeln sich schon im hinteren Zimmer und die Schränke leeren sich so langsam. Mal sehen ob wir alles in die vier Luftfrachtkisten hinein bekommen. Diese sind nicht sonderlich groß und wir werden uns wieder einmal von unwichtigen Sachen trennen müssen. Ein paar letzte Einkäufe für Weihnachten und Erinnerung an Indien sowie ein kleiner Fotoausflug standen aber auch auf dem Programm.

Katze
Unsere Katze scheint mit nach China zu wollen.

Auch unsere Katze scheint jetzt realisiert zu haben, das wir wegziehen. Sie schläft meistens auf einer der Reisetaschen, die zwischen den Kartons steht. Vielleicht in der Hoffnung, das wir sie doch mitnehmen nach China. Ich bin intensiv auf der Suche nach einer neuen Adoptivfamilie und möchte Butter gern in gute Hände weitergeben. Sie hat hier ein ganz gutes Leben, nur einige Kater machen es ihr immer wieder schwer. Obwohl sie sterilisiert ist geben diese nicht auf, sie zu bedrängen.

Advent
Ein bisschen Adventsstimmung mit Basteln und Lebkuchen.

Zwischen all dem Trubel freuen sich die Kinder auf Weihnachten und den ersten Advent. Heute haben wir ein bisschen gebastelt und Lebkuchen (ein Mitbringsel aus Deutschland) dabei gegessen. Die große Weihnachtsdekoration gibt es dann in Deutschland bei den Omas, inklusive Weihnachtsbaum schmücken. Dafür kommt heute Nacht der „Elf on the Shelf“, ein Helfer vom Weihnachtsmann, der jetzt bis zum Heiligen Abend immer an einem anderen Platz in der Wohnung sitzt. Dort beobachtet er die Kinder und berichtet dann an seinen Boss, ob diese brav sind. Bei uns bringt er sogar noch die Adventskalendergeschenke mit und wird bereits sehnsüchtig erwartet.