Oman – Begegnungen erwünscht

Sur – Ras Al Hadd – Jinz Beach

Mit Yoga startet sie gerne in den neuen Tag. Die Morgensonne taucht die Bergkette in wärmendes Licht. Ein majestätischer Anblick. Heute führt die Wegstrecke entlang der Küstenlinie weiter nach Südosten. In Sur macht sie am Souq Halt, der zur Mittagszeit nur Stille und wenig geöffnete Läden zu bieten hat. Bei den Gebetsräumen für Frauen findet sich immer eine Toilette. In den Schaufenstern der engen Gassen sieht sie farbenfrohen Kleider mit viel Glanz. Die Schneiderei- und Nähkunst der Eingewanderten aus Indien ist hier sehr gefragt. Ab und zu schleicht eine Katze vorbei, die schnell wieder hinter der nächsten Ecke verschwindet.

Der Strand auf der andereren Seite ist um diese Zeit ebenso verwaist wie die engen Gassen um den Souq. Über die Hauptstraße rollen nur wenige Fahrzeuge. Sur macht Pause und alles scheint ein Nickerchen zu halten.

Die Möwen starren auf die Wellen und lassen sich den erfrischenden Wind durch die Federn wehen. Sie wird sich eine Gaststätte suchen um den aufkommenden Hunger zu stillen. In der Nähe findet sie das Al Hawash Restaurant direkt am Strand mit einem weiten Ausblick über die Bucht von Sur. Er duftet nach gebratenem Fisch, Gewürzen und Fladenbrot, bis der in dicken Nebelschwaden angezündetet Weihrauch all diese Düfte überlagert. Vielleicht ist es ein Zeichen von Wohlstand, immer genügend Weihrauch zu besitzen.

Am Strand trifft sie eine Familie, die ihren Kindern beim Planschen im Meer zuschauen. Sie können nur ein paar Worte in ihrer Sprache. Trotzdem versteht man sich irgendwie. Gerne würde sie mit den Frauen im Oman in Kontakt kommen. Ihre Geschichten erfahren, von ihren Träumen und Sehnsüchten hören. Im Straßenbild sind sie selten allein anzutreffen, was es schwierig macht sie anzusprechen.

In Sur findet sie die letzte Dhow Manufaktur des Landes. Die ungewöhnlichen Schiffe reisten einst bis Sansibar oder Singapur, um Waren in der Welt zu verteilen. Das Museum beherbergt eine Werkstatt und eine Ausstellung zur Geschichte. Sie kann die riesigen Schiffe bestaunen, die dort zur Reparatur oder zum Bau wie gestrandete Wale hinter dem Zaun liegen. Wartend auf den Einsatz in den nahen Wellen. Die Arbeiter habe heute frei, nur wenige andere Reisende verlaufen sich auf dem großen Gelände.

Nach einer nicht allzu langen Fahrt kommt sie in Ras Al Hadd an. Der Ort liegt am östlichsten „Knick“ des Küstenverlaufs des Oman, genau dort wo sich der Golf von Oman und das Arabische Meer berühren. Wahrscheinlich habe sich die vielen Schildkröten gerade aus diesem Grund diesen Ort ausgesucht, um zur Ablage der Eier immer wieder hier hin zu schwimmen. Das Schauspiel ist immer von Mai bis September zu beobachten, da muss sie wiederkommen, irgendwann.

Ohne Hast geht der Tag seinem Ende entgegen. Die Bewohner der Stadt kommen an den Strand. Ob sie diese besondere Stunde, in der die Sonne hinter den Horizont taucht, ebenso schätzen wie sie? Der Ruf des Muezzin ist überall zu hören, hier am Wasser nur leise. Als ob er mit den Wellen aufs Meer hinaus getragen wird.

Sei hastig nie, auch wo du Hast hast; denn seine Ruhe liebt, wer Hast hasst. al-Hariri (1054 – 1122)

Vom Dach der Unterkunft aus bestaunt sie in alles Frühe den Sonnenaufgang. Sie kann nicht genug bekommen von der Kraft dieses Sterns. Sie speichert die Wärme tief im Inneren, der Sommer zu Hause ist noch in weiter Ferne. Gleich morgens macht sie sich auf, um der kleinen Stadt beim Aufwachen zu zuschauen. Und hofft auf Einblicke in den Alltag der Menschen, die hier leben.

Sie parkt das Auto vor dem kleinen Supermarkt an der Hauptstraße, um sicher zu gehen es wiederzufinden. Kauft Obst und Fladenbrot, um sich dann in den kleinen Gassen umzuschauen. Der Boden ist sandig, die Häuser nur einstöckig. Wie in eine andere Zeit versetzt. Es ist unheimlich ruhig, niemand ist unterwegs. Sie fotografiert einige der Türen, die hier mit Liebe zum Handwerk verziert sind. Eine junge Frau verschwindel schnell hinter einer der mächtigen Holztüren, warte doch auf mich.

Wie aus dem Nichts stehen drei Kinder neben ihr und deuten mit ihren Händen ihnen zu folgen. Sie führen sie zu den beiden Pferden, die ganz in der Nähe in einem kleinen Gatter untergestellt sind. Neugierug bestaunen sie die Bilder auf dem Telefon, die sie ihnen zeigt. Jetzt ist das Eis gebrochen, sie soll mitkommen, der Vater wartet schon an der Tür. Mit einem kleinen Hai in der Hand, den der Sohn gerade aus dem Meer gezogen hat. Abendessen für die Familie. Hinter der Tür öffnet sich ein Innenhof, der zum Teil überdacht ist. Hier sitzen drei Frauen auf dem Boden und laden sie zu Kaffee und Datteln ein. Sie sind verschleiert und erst als der Hausherr die Runde verlässt zeigen auch sie ihre Gesichter. Lächeln sie an und freuen sich über den Gast, den der Zufall ihnen heute ins Haus gebracht hat. Nur ein paar Brocken in englisch kann sie mit der größeren Tochter austauschen, die versucht zu übersetzen. Die Kommunikation funktioniert über Blicke und Gesten trotzdem irgendwie.

Unbedingt wollen die Kinder sie zum Auto begleiten. Die zuvor gekauften Äpfel verschenkt sie gerne, das kleinste Mädchen beißt sofort hinein.

Die Tage am Meer zu verbringen ist ein großes Geschenk auf dieser Reise und dank des Allradfahrzeugs kommt sie an Strände, die nicht für alle zugänglich sind. Der Al Jinz Strand ist zu dieser Jahreszeit noch zugänglich. Erst wenn die Schildkröten wieder zur Eiablage an Land kommen, wird dieser gesperrt und nur geführte Touren sind dann noch möglich.

Außer drei Fischern ist an diesem Tag keiner dort. Das Wasser ist glasklar, erfrischend und strahlt in allen Blau- und Grüntönen mit jeder Welle anders. Die Männer sind zum Arbeiten hier und zeigen auf die roten Fahnen draußen im Wasser. Dort sind die Netze, die sie für den Fang ausgelegt haben. Mit einem Motorboot fahren zwei der Männer hinaus und schaffen es zu Dritt gerade so, das Boot über die erste Welle zu bringen.

Der Bootsbesitzer ist interessiert an einem Gespräch und sie tauschen einige Geschichten über ihre so unterschiedlichen Länder aus. Die Liebe zum Meer und der Natur verbindet sie trotz der unterschiedlichen Bedeutung ihres Aufenthaltes dort. Für ihn ist es der Arbeitsplatz. Für sie ein Sehnsuchtsort mit langer Anreise. Viele der Menschen, die sie im Oman trifft, kennen Orte in ihrem Heimatland und natürlich die Fußballclubs.

Bevor es am nächsten Tag weiter geht, nutzt sie den frühen Morgen noch einmal für einen Ausflug an den Fischerstrand direkt am Ort. Seltsam ruhig ist es dort, niemand ist um diese Zeit hier, was wohl bedeutet, dass der Fang schon eingeholt wurde oder die Netze leer blieben. Viele Hütten in den unterschiedlichsten Ausfertigungen stehen über den hinteren Bereich verstreut. Manche sehen ziemlich abenteierlich aus, zusammen genagelt aus Brettern und Treibgut. Netze und Behälter für den Fisch sind reichlich vorhanden. Und dazwischen immer wieder kleine Plätze und Nieschen mit Matten zum Schlafen für die Fischer. Kurz bevor sie den Ort verlassen will, kommt doch noch ein Auto gefahren. Die drei Männer nehmen kurz Notiz von ihr und der Kamera, verschwinden allerdings gleich in einem der Verschläge und schließen hinter sich das Gatter. Sie wollen keinen Kontakt und das respektiert sie.

Zumeist liegt das ganze Gewicht der Welt im winzigen Augenblick der Begegnung. – Roman Pfüller