Eine feine Sammlung von Poesie und Bildern. Zum Genießen und Schwelgen in Wörtern, Gedanken und Augenblicken.
Weg im Nebel
Nun wird die Spur der Füße langsam ungetan,
Und aus der Tiefe, aus der tiefen Tiefe steigt
Das Trübe, schwadengrauer Nebel himmelan.
Nun wird der Augen-Aufblick langsam leer,
Und aus der Höhe, aus der hohen Höhe neigt
Die Wolke sich, sinkt Nebel erdwärts schwer.
Nun drängt zu dem verwandten Un-Gesicht
Das Wesenlose aus den fahlen Gründen
Und hebt sich sehnend ins versäumte Licht.
Nun flieht, was war: es fliehen Busch und Baum,
Flieh’n Berg und Tal, die sich zur Flucht verbünden,
Es fliehst du, Herz. Es floh’n die Zeit, der Raum.
Land wurde Meer. Meer wurde schwälend Schaum.
Ihn schlürft, sich fröstelnd zu entzünden,
Das ungelebte Leben und der ungeträumte Traum.
© Maria Luise Weissmann
Die Gabe
Eines Tages
Flügel erfinden
Wegfliegen
Morgens enteilen
Oder einfach
An Flügellose
Je
Eine Feder
Verteilen.
© Wjatscheslaw Kuprijanow
Die Möwe und mein Herz
Hin gen Norden zieht die Möwe,
Hin gen Norden zieht mein Herz;
Fliegen beide aus mitsammen,
Fliegen beide heimatwärts.
Ruhig, Herz! du bist zur Stelle;
Flogst gar rasch die weite Bahn –
Und die Möwe schwebt noch rudernd
Überm weiten Ozean.
Theodor Storm
(1817 – 1888) deutscher Jurist, Dichter und Novellist
Im Hotelzimmer steht ein Strauß mit fünf roten Hyazinthen in einer hübschen Vase auf dem kleinen Tisch.
Ich lächle.
Ein guter Anfang.
Die Geschichte der Hyazinthe kenne ich. Die wunderbare Zwiebelpflanze stammt angeblich aus Griechenland. Die Mythologie erzählt, dass sie aus dem Blut das Jünglings Hyakinthos wuchs, der von Zephyros durch einen Diskuswurf getötet wurde. Voller Schmerz über diese Tragödie ließ Apollon aus dem Blut von Hyakinthos eine Hyazinthe wachsen, damit er ewig weiterlebe.
Man sagt auch, dass eine rote Hyazinthe bedeutet: Wollen Sie Liebe spielen? – mit einer Spur Erotik?
Giacinta war auch der heute ziemlich altmodische Vorname einer Heiligen aus dem 17. Jahrhundert, einer Nonne in Viterbo, die auf Wunsch ihrer Eltern ins Kloster gegangen war. Das Leben, das sie dort länger als zehn Jahre führte, war skandalös.
Skandalös.
Text aus: „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ von Grégoire Delacourt.