Meet Me In Dresden

Wo ihr auch seid Ob in Hamburg oder Gießen: Leute, lasst euch nicht verdrießen! Ob in Dresden oder Zossen: Macht’s ebenso, seid unverdrossen! Wo ihr auch seid in Ost und West: Das Leben sei ein großes Fest!

Wolfgang Lörzer

Die Straßenfotografenszene ruft nach Dresden – zum Meet & Street. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr kann ich ein paar Tage in der Stadt verbringen und werde direkt in meine Jugend zurück katapultiert. Dresden du Schöne! Begrüßt mich erst mit Regenschauern, um dann wieder versöhnlich die Hitze in den Tag zu werfen. Ich ziehe durch die Stadtteile, laufe über und unter Brücken, an Orte die lange im Gedächtnis vergraben waren und doch sofort wieder vertraut sind. Das Rundkino – hier habe ich „Schindlers Liste“ gesehen und mit allen anderen Zuschauern geweint und das Popcorn wieder mit nach Hause genommen. Am Neumarkt ist Weinfest, hier stand im Sommer vor zwanzig Jahren das EPlus Zelt, in dem ich mein erstes Handy kaufte. Im Bäzwi (Bärenzwinger) wurde getanzt und an den Elbwiesen so mancher Kuss ausgetauscht. Du sprühst vor Leben, Kultur und hast deinen Charme aus DDR Zeiten bewahrt. Die Plattenbauten, Springbrunnen und die opulenten Wandbilder sind heute Kult und laden zum Entdecken ein. Es ist nicht schwer sich immer wieder in dich zu verlieben. Ich wäre gerne länger geblieben! Wiederkommen und bleiben ist eine schöne Idee.

Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten und leichtesten, wenn auch am leisesten vor sich.

Wilhelm von Humboldt

Am Abend Weißt du denn – wenn auf Baum und Strauch Das Astwerk zittert und sich sträubt, Und wenn der leicht gewellte Rauch An einer Wetterwand zerstäubt – Ein scheuer Vogel ohne Laut An dir vorbei die Flügel schlägt, Und Wolke sich an Wolke baut – Wohin dein wilder Wunsch dich trägt? Weißt du denn, wenn nun alle Welt Sich eng an Hof und Heimstatt schmiegt, Und deine Sehnsucht dich befällt, – Wo deine eigne Heimat liegt?

Hedwig Lachmann

Ich mochte schon immer Orte, die nicht perfekt sind, die mit einer gewisses spröden Nostalgie an jeder Ecke kleine Geschichten erzählen. Typen, die sich in diesen Orten verstecken oder sich zur Schau stellen. Und ich mag tatsächlich auch die stillen Momente, die oft in den großen Städten nur in den Seitenstraßen oder an Regentagen zu finden sind. Der Sonntag ließ die Sonne in die Stadt, den Trubel, die Musik, das Klappern der Pferdekutschen in der Altstadt, die Freude sich mit Freundinnen treffen zu können und einen unbeschwerten Tag zu verbringen. Ich weiß um dieses Glück und schätze es innig.

Augen beben leicht vor Sehnsucht Haut fleht um Geborgenheit Herzen – Heimweh nach Vertrauen wollen nur noch Seele sein

Hans-Christoph Neuert

Im Wort – Fremd – bin ich – Hier – und dort – Daheim – bin ich – Nur – im Wort.

Michael Sebörk

Denn wer liebt, der ist voller Sehnsucht und findet nie ruhigen Schlaf, sondern zählt und berechnet die ganze Nacht hindurch die Tage, die da kommen und gehen.

Chrétien de Troyes

Als der Tag dem Ende und einem Abschied entgegenfließt, die Farben weich und warm werden, kann ich mich gut damit versöhnen. Wer geht, kommt wieder. Wer wiederkommt, geht. Noch ist das Bleiben nicht ausgehandelt, noch ist die Zeit nicht gekommen. Mein ruheloses Herz findet in den Menschen Halt, nicht an den Orten. Mein Haus steht offen, wer mag kann kommen, gehen oder eine Weile bleiben.

Wichtiger, als wohin du kommst, ist, als wer du kommst; daher dürfen wir unser Herz an keinen Ort hängen.

Lucius Annaeus Seneca

Tschüssi du Schöne!

wintersonnenwonne

Wintersonne

Noch ist der Morgen mehr Gefangener der Nacht als Bote des nahenden Tages.

Schweigen umhüllt die Landschaft tief und ruhig im Grau.

Um die träumenden Bäume und ihr Gezweige, die letzten Trotzschatten der Nacht – ein seidener Schleier aus Lila…

Da erhebt die Sonne, selbstverzaubert flimmerndes Orange, Anfangs noch blutleer im Meer der Nebel,

sucht sie dennoch am Himmel ihre Macht über den Tag – und wärmt sich langsam an den Bäumen empor.

Aus dem Reif der Wiesen funkeln Silberfäden überwältigt zu ihr hinauf.

Ihre immer stärker glutende Kraft trägt den Morgen in die Welt und verklärt ihn in einem neuen Licht…

Elmar Kupke

Draußen zwitschert es früh am Morgen, die Vögel im Garten scheinen den Frühling zu riechen oder freuen sich einfach, dass ihnen ein sonniger Tag bevorsteht. Sonn-Tag eben, wie passend.

Die nahen Wege führen direkt in die Natur, hoch hinauf, um den Blick über die weite Landschaft zu öffnen. Nebeldunst hängt noch an den Bergen der Alb. Pure Stille wäre das iTüpfelchen, doch das stete Autobahnrauschen legt einen Grundton unter die Gespräche der Wanderer. Es fühlt sich richtig an, zu gehen.

Das erste zarte Grün bricht aus dem noch leicht gefrorenen Boden, kraftvoll muss es sich wohl dem Licht empor gereckt haben. Irgendwann wird es vielleicht selbst ein stabiler Baum sein, der Schatten spendet und Kraft versprüht. Duftend ohne Wagnis auf Gewinn einfach nur wächst, um Sauerstoff zu produzieren. Und Holz natürlich. Oder einfach nur um schön und wild dazustehen.

Die Sonne küßte seine Zweige,

Ihm wurde wunderlich zu Mut.

Die Winde sagen: Neige, neige,

Neig dich zur Erde, junges Blut.

Er aber bog mit schlichter Geste

Wie hundert Arme sonnenwärts

Die lichtverhärmten nackten Äste

Und zog den Himmel an sein Herz.

Heinrich Leberecht Fleischer

Immer höher geht es hinauf, der Sonne noch ein Stückchen näher sein. Schmale gewundene Treppenstufen führen auf den modernen Turm, der sich ganz sachte bewegt. Das Schwingen der Körper, nicht der Wind, ist dafür heute verantwortlich.

Weit über das Land reicht der Blick, die Stadt liegt zu Füßen, die Dörfer darum trappiert wie eine Perlenkette.

So friedlich, als könnten einfach alle Sorgen, Nöte, Ängste und Ahnungen wie Konfetti in alle Himmelsrichtungen gestreut werden. Davonfliegen, sich auflösen. Sich ein paar Minuten trösten am Glück des Tages, der Gemeinschaft, dem Lachen und der Freude.

Was kalt und still gefroren ist, besitzt den Reiz der Ruhe, verbirgt den Zustand des Wahren, und ist Herausforderung an unser Licht.

Eberhard Schuy

Es ist wie es ist.

So, wie es ist, ist es nicht gut, und so, wie es werden soll, ist es noch schlimmer als so, wie es früher war, obwohl es damals schon besser war, als es je sein kann.

© Udo Keller

Wenn mich die Melancholie überfällt, gehe ich extra dann mit der Kamera los, wenn Wetter, Ort und Zeit diese Melancholie in meinen Bildern wiederspiegeln wird. Es war kalt, es schneite, es wehte und es war ein Freitag. Scheinbar und gefühlt war ich die Einzige unterwegs, menschleer gefegt die Straßen, wer nicht raus musste, blieb drin, wer raus musste, verschwand leiber wieder schnell ins Warme.

Weihnachten und Silvester lagen hinter der Stadt, die schmucklosen Tannen noch nicht abgeholt, der Einkaufsrausch vor dem Fest noch nicht verdaut, zum neuen Schwung ins Neue Jahr noch nicht bereit.

Doch gib‘ acht, dein Leben ist
genau wie du es siehst.
Ein Buch ist spannend oder trist.
Es kommt drauf an, wer’s liest!

© Thomas S. Lutter

Risse in Fassaden, die Farben verblasst oder abgeblättert, leere Fenster schauen mich an. Dennoch empfinde ich eine Schönheit bei diesen Anblicken. Genau wie Falten und Zeichen des Lebens die Gesichter der Menschen interessant machen, ziehen mich diese Zeitzeugen mit ihrem Geschichten an wie Honig. Eine seltsame Mischung aus Wehmut über den Niedergang und Freude über das Finden und Festhalten der kleinen Details, die irgendwann ganz verschwunden sein werden.

Im Leben gibt es keine Zufälle,
alles geschieht so, wie es für dich am besten ist.

© Anne Roggow

An Zufälle kann glauben wer will, diese beiden fand ich auf dem Weg ins warme Zuhause wie ein Bonbon auf der Straße. Vater und Sohn, beides Elektriker, der Heimat Vogtland treu geblieben – waren dabei, die Weihnachtsdekoration an einer Bäckerei zu entfernen. Wir kamen ins Gespräch, entdeckten Gemeinsamkeiten aus meiner Kindheit und ich durfte sie im Schneegestöber ablichten. Ein herzlicher Dank erreichte mich Wochen später, als der Sohn die Fotos betrachten durfte. Mein Herz hüpfte ein zweites Mal. Worte sind oft die schönsten Geschenke.

Was mir fehlt.

Momentan sind andere Dinge wichtig in meinem Leben. Was mit fehlt ist die Zeit für Fotografie, Kunst, Ausstellungen, Begegnungen mit Gleichgesinnten. Ja ich kann mir auch dafür Zeit nehmen, aber wenn der Kopf voll mit anderen Dingen ist, mag ich keine Zeit investieren. Aber ich merke, dass es in mir brodelt und die Kamera(s) schon zu lange im Schrank oder Regal liegen. Sie starren mich an, als beobachten sie mich dauernd, wann kommen wir endlich wieder zum Einsatz. Der Frühling steht in den Startlöchern, das Wetter spielt bald eine andere Melodie und weckt die Geister, die Lust am kreativ sein. Ich werde mir mehr Zeit nehmen!

Wo ist das Auenland geblieben

Einen kleinen Spaziergang durch die Heimatstadt konnte ich mir dann doch abringen. Mit einer für mich eher als Spielzeugkamera wirkenden kleinen Canon. Eigentlich zum Videos drehen angeschafft von meinem Mann, testete ich diese für einige Aufnahmen des morbiden Charmes, den ich immer wieder entdecke. Es gibt ihn hier noch. Vielen sind diese Bilder zu trostlos, zeigen den Verfall, das Verlassene, die Unschönheit einer Stadt. Ich mag gerade diese Ecken hervorzuheben, zu zeigen, nicht wegzuschauen.

Hausgemachte Stabilität
Weinkeller?
Gegen Abrutschen gesicherter Olymp.
Treffen wir uns an der alten Laterne?
Haus mit langer Geschichte
Patriotischer Schweizer oder Ostdeutscher?
Hier steht sie noch – die Mauer.


Nur, wie alles seine Zeit hat, so hat auch alles seinen Ort. Wo der Unfug bis auf einen gewissen Grad gestiegen ist, da hat Schweigen und Vergessen seine Bedeutung verloren.


Matthias Claudius
(1740 – 1815)