Der Warteort
Traust du dich hinaus?
Traust du dich hinein?
Was könnte dein Verlust, was dein Gewinn wohl sein?
Und gehst du hinein, gehst du nach links oder rechts?
Oder nach rechts und dreiviertel?
Oder tust du doch nichts?
Du rennst los,
Bist ganz bang,
Durch verschlungene Wege,
Gefährlich und lang,
Und schindest Dich
Mühsam
Durch Wildnis hinfort
An einen, Ich fürchte,
Völlig nutzlosen Ort.
Im Warteort,
Wie schön!So viel wirst du sehen! Dr. Seuss
Wo Menschen nur warten,
Warten auf einen Zug, der geht
Oder einen Bus, der kommt
Oder ein Flugzeug, das geht
Oder die Post, die kommt
Oder den Regen, der aufhört
Oder das Telefon, das klingelt
Oder den Schnee, der schneit
Oder sie warten
Auf ein „ja“ oder „nein“,
Auf Schmuck, auf Kleider,
Warten in Trance
Auf Lockenperücken
Auf die zweite Chance.
Wer wartet braucht Geduld, wer wartet wird belohnt. Wer wartet verharrt, wer wartet verliert. Auf was warte ich?
Warten ist unerträglich, warten gibt Zeit zum Nachdenken. Warte nicht zu lang! Warte ab!
Im Wartebereich des Lebens. In der Warteschlange. Am Warteschalter. Im Wartungsmodus. Im Wartesaal des Glücks.
Wartesemester. Wartehäuschen. Wartender. Abwartende. Erwartungen.
Wartende
Sie sitzt an einem Tisch für zwei Personen
allein mit diesem wachen starren Blick
schaut sie umher als hätt sie was verloren
und hält sich fest an einem Buch: Ihr Strick
der sie herauszieht aus den Augenpaaren
die nach ihr züngeln mitleidlos und spitz
wie Wellen über ihr zusammenschlagen
sie niederdrücken auf den Plastiksitz
der unter ihren Schenkeln klebt. Sie schwenkt
ihr Glas das Eis schmilzt klirrend schneller
sie selbst wird immer kleiner und versänk
gern als Erfindung in ihr Buch
das sie nun zuschlägt. Ehe sie auftaucht
Ulla Hahn
zahlt und geht. Es ist genug.
Rundheraus: das alte Jahr war keine ausgesprochene Postkartenschönheit, beileibe nicht. Und das neue? Wir wollen’s abwarten. Wollen wir’s abwarten? Nein. Wir wollen es nicht abwarten! Wir wollen nicht auf gut Glück und auf gut Wetter warten, nicht auf den Zufall und den Himmel harren, nicht auf die politische Konstellation und die historische Entwicklung hoffen, nicht auf die Weisheit der Regierungen, die Intelligenz der Parteivorstände und die Unfehlbarkeit aller übrigen Büros. Wenn Millionen Menschen nicht nur neben-, sondern miteinander leben wollen, kommt es auf das Verhalten der Millionen, kommt es auf jeden und jede an, nicht auf die Instanzen. Wenn Unrecht geschieht, wenn Not herrscht, wenn Dummheit waltet, wenn Hass gesät wird, wenn Muckertum sich breit macht, wenn Hilfe verweigert wird – stets ist jeder Einzelne zur Abhilfe mit aufgerufen, nicht nur die jeweils „zuständige“ Stelle. Jeder ist mitverantwortlich für das, was geschieht, und für das, was unterbleibt. Und jeder von uns und euch muss es spüren, wann die Mitverantwortung neben ihn tritt und schweigend wartet. Wartet, dass er handele, helfe, spreche, sich weigere oder empöre, je nachdem.
So wünsche ich euch allen, dass im neuen Jahr nicht das Abwarten im Vordergrund steht, sondern das Tun. Alles Gute!
Erich Kästner
Alles fügt sich und erfüllt sich
man müßte es nur erwarten können
abwarten können, hieße Stärke,
aber es macht das Herz krank
und schmerzt so sehr,
man vermißt manches
und plötzlich dreht man sich um
und nichts ist mehr da.