Kein Halt mehr in Tanglin

Wo seid ihr nun, Städte, mühsam aufgeschichtet, Häuser, über gähnenden Gassen aufgetürmt, getürmte Kirchen, aufstarrend ins Blau, Paläste, Kuppeln, qualvoll emporgerissen? Und ihr, junge Menschen, gebäumte, aufstürmende Kinder, die leeren Hände steil emporgeworfen, emporgeworfen die heißen, vorzeitigen Gesichter, die schreienden Münder aufgewölbt, wo bist du, beraubte, entwurzelte Jugend mit der großen, rührenden Gebärde ins Leere hinein?

Maria Waser
(1878 – 1939)

Die Baumaschinen empfangen mich schon an der Haltestelle, an der ich meinen Bus verlasse. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die „Church of the Blessed Sacrament“ deren hellblaue Dächer von der Straße aus gut sichtbar sind. Direkt daneben der Sri Muneeswaran Tempel, dessen Geschichte bis ins Jahr 1932 zurückreicht. Zwischen dem Commonwealth Drive und der alten ehemaligen Bahntrasse nach Malaysia, die sich jetzt Green Corridor nennt und zum Wander- und Radweg umfunktioniert wurde, stehen Wohnblocks für mehr als 3.600 Haushalte. TANGLIN HALT.

Die ersten Wohnungen wurden in den 1960er Jahren errichtet, bis 1972 waren alle bezogen. Das Wohngebiet gehört damit zu einem der ersten in Singapur, die vom HDB (Home Development Board) Wohnraum für viele Menschen schafften. Markthalle, zwei Foodcourts, viele kleine Geschäfte, Theater, Communitycenter, ein großer Sportcomplex, Kirche, Tempel, Moschee – alles vorhanden und dankbar angenommen von den Bewohnern.

Bis 2024 wurde die Frist nun verlängert, dann rücken die Abrissbagger endgültig an, alles wird dem Erdboden gleich gemacht, Neues soll entstehen. Höher, moderner, teurer. Viele der alten Bewohner sind bereits ausgezogen und weitere werden es müssen. Umsiedlung in andere HDB Wohnkomplexe. Nach 70 Jahren hier fällt das nicht jedem leicht. Gerade die Älteren hadern mit diesem Schicksal, die Jüngeren finden Gefallen an den neuen Wohnprojekten, die hier entstehen werden. Zweimal durchstreifte ich die Gegend mit der Kamera. Ich mag diese morbide Stimmung, die den Häusern anhaftet. Jede Haustür verbirgt seine Familiengeschichte. Jedes Stockwerk seine kleine Gemeinschaft, die sich jetzt auflösen wird.

Ein frischer Wind entwurzelt nicht.

Raymond Walden

Mit Entwurzelungen bin ich vertraut. Prägen quasi mein Leben. Die Oma als Sudetendeutsche vertrieben aus Tschechien, der Opa als Ostpreuße vertrieben aus Polen. Die Mutter verlässt mit 18 die Heimat und bleibt am Studentenort für immer. Tante und Onkel brechen die Zelte in der alten Heimat im Osten ab und folgen den beiden Kindern in den Südwesten. Auch wir suchen unser Glück im „goldenen“ Westen. Die längste Zeit meines Lebens habe ich im Haus der Bäckerei verbracht, danach gab es Umzüge im 2 – 6 Jahrestakt. Ich mag den frischen Wind, der immer wieder in mein Leben bläst. Und doch schwingt da eine kleine Sehnsucht nach Beständigkeit mit, einen Platz zu finden der Heimat sein kann. Oder ist das Vagabundenleben zu sehr verwurzel und mein Schicksal?

Es gibt ein Bleiben im Gehen,
ein Gewinnen im Verlieren,
im Ende einen Neuanfang.

Aus Japan

In Rückblick waren die Veränderungen in meinem Leben immer die Erfahrungen wert, die mit ihnen einhergingen. Ohne diese Umbrüche wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Zum Wachsen an den neuen Umständen und Aufgaben gesellten Rückschläge und Widerstände. Leben nennt sich das wohl. Je älter man wird, desto schwieriger akzeptiert der eine oder andere Veränderungen. Eine meiner Omas musste im betagten Alter ihr Zuhause verlassen. Auch wenn sie danach näher bei der Familie lebte, die Sehnsucht nach ihrem Dorf war schwer zu überwinden.

Hier in diesem Gebiet wird wahrscheinlich nichts mehr so sein wie es jetzt noch ist. Ich gehe gerne ganz bewusst an solche Plätze und versuche einen kleinen Ausschnitt zu dokumentieren. Spannend für mich ist dabei auch die Recherche, viele alte Fotos von Tanglin Halt finden sich zum Beispiel hier: https://mycommunity.org.sg/guided-tours/my-tanglin-halt-heritage-tour/

Dann bereue ich manchmal nicht schon viel früher mit ernsthafter Dokumentation begonnen zu haben. Immerhin erhalte ich hier die Möglichkeit und als Bonbon einige Stimmen der EinwohnerInnen zu bekommen, erfreut mein Herz.

wenn wir weitergehen
sollten wir immer etwas zurücklassen

Anke Maggauer-Kirsche

Eine ältere Frau fragt, was ich hier mache? Fotos, um die Erinnerungen zu bewahren, erkläre ich ihr. Sie ist erfreut und berichtet von ihrem Einzug, da war sie 27 Jahre alt, der Sohn gerade geboren, jetzt ist sie weit über 70 und muss bald ausziehen. Wenn sie die Schlüssel zur neuen Wohnung bekommt, bleiben ihr drei Monate die alte zu verlassen. Die Küche sei zu klein dort, da passt sie nur allein hinein und überhaupt ist das Appartment kleiner. Begeisterung erkenne ich nicht in ihren Worten. Ob sie denn Nachbarn hat, die auch dorthin umziehen werden. Ja, die meisten ziehen in die von der Regierung zugewiesenen neuen Apartments, die nicht so weit entfernt liegen. Dennoch gefiel es hier sehr gut und sie wird es vermissen. Auf ihre alten Tage hatte sie nicht mehr damit gerechnet. Etwas traurig läuft sie in Richtung des kleinen Marktes, ich sehe sie später dort mit anderen älteren Frauen zusammensitzen beim Mittagessen.

Die Geschichte eines Hauses ist die Geschichte seiner Bewohner, die Geschichte seiner Bewohner ist die Geschichte der Zeit, in welcher sie lebten und leben, die Geschichte der Zeiten ist die Geschichte der Menschheit.

Wilhelm Raabe

Letztlich hat mir irgenwie immer die Neugierde und mit zunehmendem Alter die Akzeptanz geholfen, mich immer wieder neu einzuleben, anzukommen und irgendwann Abschied zu nehmen. Kontakte zu bewahren und Beziehungen zu Menschen aufrecht zu halten, die mir wichtig sind. Ich kenne mittlerweile mehr Bekannte, die nicht stetig am gleichen Ort gelebt haben, vielleicht eine Art Auswahl, die ich unbewusst treffe oder eine Konsequenz daraus, dass ich mich doch mit Gleichgesinnten umgebe? Wer weiß das schon. Wahrscheinlich sind jetzt einfach sehr viel mehr Menschen unstetig und mobil, als noch in meinen ganz jungen Jahren. Die Perspektive zu wechseln schmerz manchmal, aber sie schärft den Blick auf das was mir wichtig ist.

Auch wenn dieses Wohnviertel demnächst nicht mehr existieren wird, die Menschen und ihre Geschichten bleiben bestehen. Sie werden ihren Kindern und Enkelkindern vom Leben in Tanglin Halt erzählen. Ihr Leben weitergeben und vielleicht auf die alten Tage neue Bekanntschaften machen. Wurzeln verliert man nicht, man kann sie aber ausgraben und neu anpflanzen, manche blühen sogar besser am neuen Standort.

Der Baum der Zukunft lebt von den Wurzeln der Vergangenheit.

Hermann Lahm

Bye Bye Tanglin Halt

Ich glaube, also bin ich.

Mit Religion hatte ich in meiner Kindheit nur sporadisch Kontakt. Die Kinder der DDR hatten keinen schulischen Religionsunterricht. Meine Oma Rosel war evangelisch und besuchte die Dorfkirche, wenn der Pfarrer dort Gottesdienste hielt. Ich erinnere mich daran, ein paar mal während der Sommerferien dabei gewesen zu sein. Hellblaue Bänke gab es in der kleinen Kirche und einen leicht feuchten Geruch dazu. Den Gesang fand ich trotzdem schön. Ich konnte sogar das „Vater Unser“ auswendig, damals.

Mehr war nicht mit Religion in meinem Leben, nahezu alle Freundinnen gehörten keiner Glaubensgemeinschaft an. Nach der Wende ließ sich eine Cousine taufen, bei einer Freikirche, mit Kopf unter Wasser. Ich glaube sie ist keine richtige Anhängerin dieser Religion geworden. Mit einem Gott oder einer Vorstellung von ihm hatte ich immer meine Schwierigkeiten, was sicher auch an der nichtreligiösen Erziehung in meinem Elternhaus lag. Ich glaubte immer an mich selbst und vermute, dass dieser Glaube für mich bis heute ausreicht, um durchs Leben zu kommen.

Indien zeigte mir andere Wege im Glauben und der Religion. Den Hinduismus zu erkunden fand ich spannend und daran teilzuhaben beim Besuch der Tempel oder den Festen für Shiva, Ganesha oder Hanuman. Es wurden Fahrzeuge „gesegnet“ in unserem Haushalt, die tägliche Puja der Menschen empfand ich als ein sehr schönes Ritual. Jeder hatte einen kleinen Altar an der Wand oder vor dem Haus, mit einem Bild „seines Gottes“, den er um Zuspruch und Schutz bittet. Blumengirlanden aus Jasminblüten, Räucherstäbchen und Kerzen werden neben kleinen Essensgaben dort platziert. Auch in China gab es das ab und an zu sehen. Der Buddhismus ist nicht verboten und viele besuchen die Tempel zu Festtagen oder zum alltäglichen Gebet. Für meinen ersten Fototreff wählte ich den Konfuziustempel als Treffpunkt aus. Ich mag die friedliche Stimmung in diesen oft weitläufigen Anlagen sehr, Ruhe inmitten der hektischen Großstadt. Auch die Wuschbäume, -zäune oder -wände empfinde ich als eine schöne Idee, den Menschen Hoffnung zu geben, in schweren Zeiten oder Situationen, in denen die Erfüllung des ersehnten Wunsches zumindest ein kleines Glück verspricht.

In Singapur wird eine multiple Glaubenskultur gelebt und toleriert. Neben Moscheen und Kirchen, stehen indische, taoistische oder buddhistische Tempel, oft direkt nebeneinander. Auch einige Synagogen gibt es in der Stadt. Jeder kann seiner Religion nachgehen, auf kleinstem Raum verschmelzen hier die Kultur- und Glaubensgemeinschaften im wahrsten Sinne. Ich besuche regelmäßig auf meinen Streifzügen durch die Stadt die eine oder andere Glaubensstätte. Ich treffe dort oft auf sehr freundliche und auskunftswillige Menschen, die mir ihren Glauben näher bringen. Rituale erklären, Gottheiten benennen oder mich einladen an einer Zeremonie teilzunehmen. Die meisten Tempel oder Gebäude sind frei zugänglich, an religiösen Feiertagen muss man sich anmelden, einige sind geschlossen, vielleicht weil niemand die Eingangsbeschränkungen und Abstandsregeln kontrollieren kann. Immer wieder darf ich sogar fotografieren, ist es nicht erlaubt, halte ich mich daran. Zu einem kleinen persönlichen Ritual habe ich mich jetzt auch entschlossen und zünde wenn es gestattet ist in den buddhistischen Tempeln einige Räucherstäbchen an. Es sollten immer mindestens drei sein (für Buddha, die Welt und sich selbst) um sie dann in eine der mit Sand gefüllten Schalen zu stecken. Für Wohlergehen, Gesundheit der ganzen Familie und Gerechtigkeit für möglichst alle Menschen auf diesem Planeten oder einfach für meinen eigenen Seelenfrieden tut das manchmal gut.

Die folgende Bilderserie ist bei einem Spaziergang durch Tiong Bahru und die Nachbarschaft dort entstanden. Ich hatte die sich dort befindenden Tempel bewusst in meine Route eingeplant. Alles andere dem Zufall überlassen.

Auf zum Einkauf
Auf dem Weg zur Moschee?
Mit Oma und Hund zum Markt
Wohnraumprobleme löst man hier mit hohen Bauten
Typisch Tiong Bahru – Art Deco Design
Old School
Kim Lan Beo Tempel
Zwischen Hochhäusern versteckt
Opferschale für die Räucherstäbchen
Nur ein Platz darf genutzt werden – Pandemie hat ihre Regeln
Alle Tempel sind immer sehr sauber. Typische Kehrschaufel aus halbem Ölkanister.
Wichtige Tempelutensilien
Papier in allen Ausführungen wird an den Todestagen der Verwandten verbrannt.
Rauch zieht durch das ganze Quartier
Eine neue Baustelle?
Heute keine Schönheit im Angebot
Den Lottoschein füllt man am besten unter der Ananas aus – bringt Glück!
Hausaltar und Feuerkessel eines Friseusalons – auch für gute Geschäfte wird gebetet,
Papier verbrannt oder Opfergaben bereitgestellt.
Kai San Tempel
Keiner hier, dafür Selbstbedienung möglich.
Taoistischer Tempel
Wer mehr Glück benötigt, kauft große Räucherstäbchen.
Komplett-Pakete für die Besucher
Recycling ist alles und super.
Verwirrung?
Zeit für eine Pause.
Sitzecke im Schwimmbadstil
Wenn der Zahn schmerzt.
Typisch Singapore – Wäschetrocknen an langen Stangen in der Hitze
Hausaltar
Mein erster Mönch hier.
Wäsche trocknen auf dem Fahrrad geht super.
In Tiong Bahru sind die Häuser nicht so hoch wie sonst üblich.
Ziegelfassaden bestimmen die Architektur
Jedes Gebäude hat seine eigene PLZ in Singapore.
V.I.P. Apartment?
Glitzer-Benz keine Seltenheit
Platte Ratte
Doppelsitzer
Stillleben mit 2 Türen
Hinter Gitter
Rund, weiß und Palmen – Miami Feeling
Gesegnete Post erwünscht
Hoffentlich bleibt dieses Quartier erhalten.
Sichtschutz
Frisches Obst für die Götter
Pflanzenfreunde
Rot dominiert
Wer möchte hier nicht wohnen wollen?
Rundes Auqarium
Ting Bahru Qi Tiam Gong Tempel
Taoistischer Tempel
Drachen zum Bewachen
Besen dürfen nicht fehlen.
Wäscheplatz Hintertür
Die Wächterin der Chilischoten
Es gab Omlett oder Eiersalat?
Katzenkino
Markthalle erreicht. Tempel für gutes Essen.
Barbie übt schwimmen.
Fischhändler
Stolzer Obsthändler
Tempelgaben
Typisch Singapur: Trolley für Einkäufe, Eimer, Hunde, einfach zum Transport von allem.
Geschafft.

Wie du im Herzen glaubst, so wird dir das Schicksal begegnen;

was du an andern tust, wird dir von andern geschehn.

Johann Gottfried von Herder

Tiong Bahru – Art Deco Style

Zur Geschichte des sehr beliebten Stadtteils in Singapur einfach auf den blauen Link oben klicken.

Eine Tour am Abend führte uns in dieses Viertel, dass seit den späten 30er Jahren Singapur mit seinem Charme und Stil bereichert. Mich verzauberte es schon beim ersten Besuch, da es so ganz anders ist, reizvoll, die alte Zeit wiederspiegelnd. Runde Fassaden, Wendeltreppen an den Häusern, die Architektur dort erinnert mich an Miami. Der Spaziergang führte uns zuerst zum Hock Teck Tong Temple, der von einem durch Opiumhandel reich gewordenen Singapurer gespendet wurde. Danach ging es für uns auf eines der HDB Hochhäuser, wo wir vom 27. Stock des Gebäudes einen Blick auf das komplette Viertel werfen konnten. Neben geschichtlichen Fakten erlebten wir einige kulinarische Genüsse im Hawkercenter des Tiong Bahru Marktes, der als Dreh- und Angelpunkt im Stadtviertel alle in seinen Bann zieht. Durch die kleinen Seitengassen mit Blick in Restaurantküchen und teilweise die Wohnzimmer der Anwohner endete unsere Tour an der berühmten Birdscorner, wo noch heute die Hobbyvogelzüchter ihre kostbaren Exemplare zum Singtraining an die Haken hängen (also die Käfige natürlich). Ein Grund wiederzukommen, um diesem Spektakel wenigstens einmal beizuwohnen. Die blaue Stunde dauert hier gut 10-15 Minuten, dann brach die Nacht über uns herein, die lauen Temperaturen laden ein, noch eine Weile zu bummeln und die kleinen roten Lampions der Restaurants zu bestaunen. Singapur ist immer wieder für eine Überraschung gut und bietet auf dem wenigen Land unzählige Entdeckungsmöglichkeiten. Wir freuen uns auf die kommenden.

Verlassen im Wald

Die Volksheilstätte, idyllisch in einem kleinen Tal im Osten der Republik gelegen, diente von 1899 bis 1965 zur Behandlung lungenkranker und an Tuberkulose leidender Patienten. Eingeweiht wurde der heute unter Denkmalschutz stehende Komplex durch Carola, Prinzessin von Wasa, die als Gemahlin von König Albert I. die letzte Königin von Sachsen war. Bis zur Schließung der Heilstätte verfügte das Hauptgebäude über fünf Stationen – darunter eine für schwerste Tuberkulosefälle – mit insgesamt 155 Betten ab Eröffnung und 205 Betten ab 1925. Weiter waren auf dem Gelände Laboratorien und spezielle Behandlungsräume, Liegeflächen und Versorgungseinrichtungen wie Wäscherei, Küche und Speisesaal angeschlossen.

1966/67 bis in das Jahr 1994 wurde ein Großteil der Gebäude zur Behandlung und Pflege geistig behinderter Kinder und Jugendlicher umfunktioniert. Hierfür entstand auch eine kleine Sporthalle, für die die ehemalige, aber entweihte Kapelle umgebaut wurde. Einige Jahre später erweiterte man das Gelände um zwei Wohnbauten, um das Personal unterzubringen. Von 1996 bis einschließlich 2000 diente die ehemalige Heilstätte als Wohnpflegeheim. 2004 kaufte ein ausländischer Investor das Gelände, ließ die Substanz jedoch weiter verfallen. In 2013 wurden im Haupthaus neue Fenster eingesetzt, das Dach wetterfest gemacht und der Glockenturm mit neuem Kupfer versehen. Seitdem ist nichts weiter geschehen. Die beiden Wohnblocks sowie kleinere Wohngebäude sind heute von Privat bewohnt. (Quelle: http://www.rottenplaces.de/)

Fenster mit Stuhl
Einstieg

Hinteransicht
Freigang

Im April machte ich mich an einem kalten und nebeligem Morgen in den Wald auf, um mich in der ehemaligen Lungenheilanstalt umzuschauen. Der dem Verfall preisgegebene und fast komplett leer geräumte Gebäudekomplex zog mich sofort in seinen Bann. Etwas unheimlich und mulmig war es mir dann doch zumute, als ich allein durch die langen Flure und Zimmer streifte, die Stimmung dort für mich in Bildern festhielt und mich in die Kinder und Jugendlichen hinversetzte, die hier zu DDR Zeiten wohl auch über einen längeren Zeitraum lebten. Abgeschirmt von der Außenwelt, in absoluter Ruhe irgendwo im Nirgendwo. Sicher war dort trotzdem Leben, Lachen und Musik in den Räumen und ich hege die Hoffnung, dass viele von ihnen die Krankheiten überwunden haben.

Toilette
Waschplatz

Fenster Blick
Fenster ohne Aussicht

Dschungelbuch
Türen-Dschungel

Matrose
Kunst am Fenster

Immer wieder fand ich noch Spuren der Kinder, bemalte Türen, kleine Bastelarbeiten, ein Puzzle auf dem Fensterbrett, Plakate von beliebten Musikbands an den Wänden, die Zeit schien stehengeblieben zu sein. In Gedanken bin ich in der Zeit und stelle mir vor, wie der Tagesablauf hier gewesen ist, Düfte aus der Küche ziehen durch die Flure. Hätten ich hier Heimweh gehabt – sicher doch.

Grafitti
Küchendekoration

Fließen
Alles fließt davon.

Küche
Leerraum

Dachboden
Dachbodenfund

Ich bin keine „Lost Places“ Jägerin, nicht ständig auf der Suche nach diesen Orten. Dennoch üben sie immer wieder eine gewisse Faszination auf mich aus, der ich nicht widerstehen möchte. Ich sehe eher eine Spurensuche darin, die Vergangenheit festzuhalten, bevor sie ganz verschwunden ist. Diesen Ort kannte ich nur vom Hören Sagen, nie war ich während meiner Kindheit dort und trotzdem gehört er zu meiner Heimat. Ein Grund genug, einen Blick zu wagen und wenn auch nur zu Dokumentationszwecken diesem Bauwerk und den Menschen, die hier arbeiteten und lebten eine Erinnerung zu bewahren.

Zeitung
Osterlektüre

Fenstermalerei
Sterntaler

Waschbecken
Zwischen den Türen

Saal
Traumwelten

Lampen
Lichtblick

Fenster
Mauerwerk

Den großen Saal entdeckte ich erst am Ende meiner Tour, da ich den Hintereingang gewählt hatte, um kein Aufsehen in der kleinen Siedlung zu erregen, was natürlich schief ging, weil ich auf einer privaten Wiese mit einem Auto und auswärtigem Kennzeichen parkte. Der einzige nette Nachbar hat mich dann mit Rufen ausfindig gemacht (Schreck noch immer in den Knochen) und mich gebeten das Fahrzeug zu entfernen, bevor die aufgeregten Eigentümer die Polizei rufen würden (Kleinbürgertum lasst grüßen). Als hätte ich dort noch Stunden geparkt und die Wiese zerstört. Die Polizei hätte vermutlich den Ort gar nicht gefunden, denn an diesem Tag gab es eine Umleitung, und wir hatten schon Mühe überhaupt dorthin zu gelangen.

Im Saal reichten die Fenster an beiden Seiten bis unter die Decke und sogar die Gardinen hingen noch flatternd im Wind. Ein paar andere Fotografen hatten vermutlich für authentische Bilder alle Pflegebetten im Saal aufgereiht. Ich muss zugeben, so wirkte der Raum noch größer und ich bekam einen Eindruck, wie hier wohl früher die Patienten ihre Mahlzeiten einnahmen oder den Raum als gemeinsamen Aufenthaltsort nutzen. Er strahlte jedenfalls immer noch herrliche Ruhe aus. Die Architekten hatten ganze Arbeit geleistet, ein Platz zum Wohlfühlen.

Saal
Flutlichter

Betten in Reihe
Bettreihe

Gardine
Vorhang auf

Bettgestell
Gitternetz

Wind
Luftzug

Im oberen Stockwerk zeigten sich dann erste Wasserschäden, Moos bedeckte den Boden eines Raumes. Wenn der Eigentümer nichts dagegen unternimmt, wird dieses Gebäude sicher irgendwann total zerstört sein, abgerissen werden müssen – es wäre nicht das erste in dieser Region, die seit der Wiedervereinigung viele Gebäude verloren hat. Vielleicht findet sich eine Idee und ein Liebhaber, der dieses Ensemble rettet, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ein Trauerspiel mit offenem Ausgang.

Mooszimmer
Wiesengrund

Stuhl
Kein Platz zum Verweilen

Türen
Farbenspiel

Plakate
Wandbilder

Badezimmer
Schönheitskur

Musik
Take That

Baujahr
1900

Gebäude
Ausgang offen