Und manchmal ist Peking auch sehr laut

Gestern Abend hörten wir einen hupenden Zug (aus weiter Ferne) und plötzlich erinnerten wir uns an die Nächte in Indien, als die hupenden Züge stundenlang bei uns am Wohngebiet vorbei fuhren. Wirklich vermisst haben wir das nicht, aber auch Peking bietet eine für die Ohren oder empfindliche Nerven störende Geräuschkulisse. Wahrscheinlich ist das normal in Großstädten und ich muss mich nur daran gewöhnen, allerdings gibt es da einige Dinge, die schon sehr gewöhnungsbedürftig sind.
Wie viele Pekinger versuchen wir am Wochenende in einen der vielen Parks zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Nicht immer finden wir dort allerdings die Ruhe, die wir uns vielleicht erwarten. Am letzten Wochenende zog es uns zum ersten Mal in den Chaoyang Park, den größten in der City. Viele Menschen, klar bei 20 Millionen, strömten mit uns durch den eher ruhigen Nordeingang. Im Süden des Parks locken Bootsausleihe, Karussellfahrt und andere Amüsiergeschäfte, wir wollten nur eine Wiese und Picknick. Gleich am Eingang fiel mir der erste Lautsprecher auf, der gut hörbar Musik dudelte. Verteilt im ganzen Park stehen diese und berieseln die Menschen und Bäume, und das zusätzlich zu den vielen kleinen tragbaren Radios oder Telefonen der Chinesen, denn die gehen nie ohne Musik in den Park. Wir fanden ein schattiges Plätzchen, der nächste Lautsprecher war weit entfernt, sogar Picknickdecke und Zeltaufbau war hier erlaubt (nicht in allen Parks möglich). Es dauerte aber nicht lange, da erschrak ich durch ein anderes Geschrei. Völlig ohne Vorwarnung stellen sich manche Chinesen in den Parks auf den Weg und schreien aus voller Kehle. Manche singen auch, wenn sie so des Weges wandern oder gern auch auf dem Fahrrad, Moped. Aber dieser Herr mit seinem lauten Frühlingsschrei war schon sehr speziell. Ich habe keine Ahnung, warum die Chinesen das machen, singen soll ja für ein gutes Wohlbefinden sorgen, aber andere Leute mit lautem Geschrei derart zu erschrecken ist meiner Meinung nach nicht gesund.
In vielen Parks haben wir Musiker erlebt, die dort ihre Übungsstunden absolvieren, auch bei uns am kleinen Kanal spielt ab und zu jemand Saxophon. Das tut den Ohren wenigstens nicht weh.

Stille
Ein ruhiges Plätzchen im Chaoyang Park gefunden
Musik
Schöne Klänge im Jingchang Park

Zum Thema Lautsprecher gibt es hier viele Einsatzgebiete. So werden oft vor Restaurants oder Massagetemplen Boxen aufgestellt, die Kundeschaft anlocken sollen. Im Supermarkt brauchen die dann keine Lautsprecher, da werden einfach Leute an den Sonderangeboten postiert, die dann im genau dem Moment losbrüllen, wenn man daran vorbei läuft. Auch bei Ausländern, die ja bekanntlich kein Chinesisch verstehen wird keine Rücksicht genommen, das Zeug muss an den Mann/Frau gebracht werden.

Morgenparade
Morgendliche Aufstellung vor einem der vielen Restaurants

Sehr beliebt sind in China auch morgendliche Meeting mit der ganzen Restaurantbelegschaft. Hier wird das Team fit für den Kampf am Kunden gemacht, mit Singen, Tanzen oder sportlichen Übungen, auch gern werden markige Sprüche vorgegeben, die dann von allen im Chor laut wiederholt werden müssen. Wenns hilft, interessant zum Anschauen ist es alle mal.

Gegen Lärm scheinen die Chinesen und speziell die Großstädter in Peking immun zu sein. Auch was das Telefonieren angeht, es wird keine Rücksicht auf die Umgebung genommen. Lautstark (mit dem Pekinger Bellen, wie es die chinesischen Sprachlehrer nennen) wird gesprochen oder diskutiert. Selbst normale Unterhaltungen erscheinen mir immer einen Ton lauter zu sein, als ich es gewohnt bin. Langsam gewöhnt man sich daran und macht eben mit, wenn es gar nicht mehr anders geht. Im Restaurant ist es z.B. ganz normal und auch nichts Schlimmes, die Kellnerin laut durch den ganzen Raum zu rufen oder gleich die Worte: Wu yao mai dan! (Die Rechnung bitte!) zu schreien. In einigen Lokalen wartet man sonst ewig darauf, das der Kellner am Tisch vorbei kommt.

Erschrocken bin ich auch als mich das erste Mal ein sprechender Bus auf meinem Fahrrad überholt hat. In diesen Verkehrsmitteln sind Lautsprecher installiert (innen und außen), die verkünden welche Haltestellt als nächstes angefahren wird. Vermutlich weil vielleicht doch noch nicht alle lesen können oder weil viele im Bus einschlafen und dann wenigstens durch die lauten Ansagen rechtzeitig geweckt werden.

Bauarbeiten
Baustellen sehen hier schon besser aus als in Bangalore, laut sind sie trotzdem!

Und zu guter Letzt muss ich natürlich auch über die vielen Baustellen schimpfen, die seit Beginn der warmen Saison im Wohngebiet eröffnet haben. Aber das ist halt so, wo viele Leute wohnen, muss viel repariert werden, also Ohren zu halten oder doch ab und zu in den Park flüchten.

Oder in das flippige Kunstviertel 798, welches ich zusammen mit Steffen letzten Montag besuchte. Hier gibt es viele Galerien, Bücherläden oder Restaurants. Jede Menge Ausstellungsstücke finden sich im öffentlichen Raum und sind auch ein beliebtes Ziel für Fotografen, die hier Shootings abhalten.

Fahnenhände
Chinesisch – Deutsche – Freundschaft (Artzone 798)

Einmal mehr merkten wir wie weit Peking entfernt ist von der Heimat Deutschland, zu einer großen Geburtstagsfeier waren Gäste aus Nah und Fern angereist. Wir wären definitiv die Besucher mit der größten Entfernung gewesen, aber die Kosten für vier Personen waren dann doch etwas zu hoch, so gern wir auch dabei gewesen wären. Da muss dann eben hier in Peking mal wieder ein deutsches Bier und gutbürgerliche Küche für Stimmung sorgen, der Paulaner Biergarten im Lufthansa-Zentrum machte es zum Maifeiertag möglich.

Familie
Im Vogtland wird ohne uns gefeiert. Foto: Freie Presse Auerbach
Biergarten
Fast wie in Bayern, Biergarten mitten im Peking.