Stein auf Stein – gegen die bösen Geister

Eingang
Typischer Eingang in ein Hutong
Leben in der Gasse
Leben in der Gasse

Heute möchte ich mich dem Thema „Hutong“ widmen, denn diese ziehen mich gerade als Hobbyfotograf einfach immer wieder magisch an. Geheimnisvolle Orte voller alter Traditionen und eine fazinierende Architektur, dazu gute Motive und oft ein Ort um Bekanntschaft mit der Bevölkerung Pekings zu machen. Hutongs sind typisch für Peking und das Wort beschreibt die kleinen engen Gassen zwischen den traditionell chinesichen Wohngebäuden, die in Peking bis in die 1990er Jahre hinein eine der vorherrschenden Wohnbebauungen waren. Hutong kommt aus dem mongolischen (ursprünglich hottog), das so viel wie Quelle bedeutete, da die Bewohner dieser Hutongs oft in der Nähe eines Brunnens wohnten.

In den Hutongs Pekings sieht man noch die traditionellen Wohnhöfe (Siheyuan). Es gibt sie noch in Peking, allerdings wird die Anzahl der ursprünglich weite Teile der Stadt beherrschenden Wohngebiete immer kleiner. Hochhäuser oder Wohnblocks verdrängen sie zunehmend, auch die Olympiade 2008 vernichtete ein riesiges Hutongareal für den Bau des Olypmpiageländes. Es ist abzusehen, dass schon in wenigen Jahren kaum noch originale Hutongs im Stadtzentrum anzutreffen sein werden, vermutlich jedoch bald als Museumsdorf zu besichtigen sein dürften. Andererseits ist eine Tendenz zu erkennen, neue Hutongs im alten Stil aufzubauen bzw. alte Hutongs zu bewahren.

Gesetzeshüter
Sorgen für Ordnung und Ruhe in den engen Gassen

Architektonisch sind die Wohngebäude von außen gesehen nicht sehr interessant, denn das Spannende liegt nach innen gerichtet. Um einen kleinen (bei reichen Chinesen auch etwas größeren) Innenhof herum sind die Wohngebäude errichtet. Die Mauern boten Schutz und verwehren den Einblick ins Innere, außerdem wehren sie böse Geister ab. Für diese Gesellen sind immer auch spezielle Steine vor der Eingangstür postiert und eine hohe Eingangsschwelle, die Geister nicht überwinden können aber auch Staub und Mäuse abhalten sollen.

Geisterstein
Reich verzierte Türsteine und eine hohe Schwelle gegen die bösen Geister
Einblick
Einblick in einen Innenhof

Die Türsteine sind jetzt wieder weitverbreitet in den Hutongs, zur Kulturrevolution wurden viele von ihnen zerstört. Renovierte Wohnhäuser stellen jetzt wieder neue auf, aber auch einige alte teilweise kunstvoll verzierte Steine kann man noch finden.

Stein
Einer der neuen Türsteine
Einblick
Einblick in ein Wohnhaus im Hutong

Hutongs sind seltener geworden hier in Peking, die hier leben haben oft keine Stimme, weil sie arm und ungebildet sind. Sind neue Bauvorhaben geplant, werden eben Umsiedlungen vorgenommen. Doch es gibt auch Leute, die sich für den Erhalt der Hutongs einsetzen oder Restaurierungen vornehmen. Schick hergerichtet locken solche Wohngebäude immer mehr betuchte Pekinger in diese Viertel. Der Charme, den diese alten Gassen jetzt noch haben, wird dann mit Sicherheit verloren gehen. Das Leben dort spielt sich auch viel in den Gassen ab, nicht selten stehen an jeder Ecke Stühle oder Sofas, wo sich die Bewohner des Viertels treffen und Neuigkeiten austauschen.

Innenhoffenster
Ein Fenster zum Hof
Marktleben
Marktleben im Hutong

Neben den Wohngebäuden finden sich auch viele kleine Geschäfte in den Hutongs. Marktleben gepaart mit familiären Restaurants, Läden für Waren des täglichen Bedarfs (schönes DDR Deutsch) oder Reparaturwerkstätten. Gerade in den Gebäuden, die zu einer belebten Straße hin liegen wurden die Außenmauern geöffnet, um sich mit einem Shop den Lebensunterhalt zu verdienen.

Spieler
Einladung zum Spiel an den Telefonmann

Man kann nur hoffen, das die junge Generation ab und zu einen Blick wirft auf das Treiben in ihrer Stadt um das Verschwinden der Hutongkultur zu verhindern. Schade wäre es nicht nur aus Fotografenhinsicht wenn diese Wohngebiete alle dem Erdboden gleich platt gemacht würden.

Das bunte Peking stinkt manchmal

Luft
Neuer Tiefenrekord seit der Ankunft in Peking

Eine herllich lange Frischluftzeit liegt hinter uns, mit neuem Rekord von unglaublichen 32 auf der nach oben offenen Skala für schlechte Luftwerte. Seit Sonntag ist der Smog zurück und heute erreichten wir bereits wieder die 300er Marke. Masken auf, Fenster zu, Indoor-Play – das volle Programm. Auch das seit drei Wochen gestartete Frauen-Fußball-Spiel am Montag Abend fiel heute der schlechen Luft zum Opfer. Aber nicht nur der Smog stinkt uns. Heute riefen wir die Handwerker, da wir seit Wochen seltsame Gerüche im Schrank unter dem Küchenspülbecken haben (nicht der Mülleimer!!). Die Muttersprachler wussten auch keinen richtigen Rat, woran es liegen könnte. Der Abfluß vom Spülbecken wurde geöffnet, aber zeigte keine Verstopfung oder einen Hinweis auf den seltsamen Geruch. Um wenigstens etwas zu erledigen, wurden die Abflussschläuche vom Waschmaschine und Geschirrspüler mit Silikon im Abwasserrohr versiegelt. Steffen meint das ist alles normal, er hat Neubauwohnerfahrung aus DDR-Zeiten und da war es ähnlich, Gerüche zogen von den unteren Wohnungen in die oberen Stockwerke. Auch unsere Untermieter (ein Brigadegeneral aus Burundi mit Familie) kochen gern und anscheinend ziemlich fettreich, die Düfte kamen regelmäßig in unserer Küche an. Wir haben jetzt sämtliche Ritzen und Gitter mit Klebeband geschlossen und hoffen auf Besserung.

80er
Im Zoomarkt sind die 80er zurück.

Unsichtbare Düfte scheinen im Zoomarkt (ein Markt für Klamotten, Schuhe, Taschen und Stoffe) durch die Lüfte zu schweben. Ich besuchte diesen Markt bereits zweimal, fasziniert von der schrillen 80er Mode, die in Peking in diesem Frühjahr die Modeszene beherrscht, und jedesmal kam ich mit Kopfschmerzen raus. Ich vermute die vielen Farbstoffe und chemischen Zutaten in den Klamotten führen in geballter Ladung zu dieser Reaktion, aber genau kann ich das nicht sagen. Bei einem Kleid, welches ich dort gekauft hatte und zum Lüften neben das offene Fenster hängte veranlasste nach einigen Minuten meinen Mann zu folgender Aussage: Ich muss mal das Fenster zumachen, die scheinen da draußen mit Farbe zu streichen. Zum Thema Farbe machten wir die Erfahrung, das diese hier großzügig zum Einsprühen von Rohren im Treppenhaus verwendet wird und danach die ganze Wohnung übel danach stank. Das gehöre zur Instandhaltung wurde uns vom Management mitgeteilt und jedes Jahr wird neu gesprüht. Die Arbeiter trugen weder Atemmasken noch Handschuhe bei der Aktion und bei 15 Stockwerken und 9 Gebäuden mit jeweils 2 Aufgängen kann ich mir nicht vorstellen, das diese ohne gesundheitliche Schäden davon kommen werden. Gesunde Farben scheint es hier noch nicht zu geben.

Marsmobil
Wie ein Marsmobil – Elektroauto

Erfreulich und ermutigend finde ich die vielen Elektrofahrzeuge, die hier in der Stadt unterwegs sind. Besser würde ich natürlich Fahrräder finden, und trotz wärmerer Temperaturen vermisse ich immer noch die 9 Millionen Bicycles, von denen Nora Jones singt, aber die kleinen Flitzer sind immer noch umweltfreundlicher als die vielen Protzkarren, die hier herumfahren. Steffen kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, Bentley, Ferrari, Porsche, Jaguar, BMW, Audi, Range Rower, … alle Männerspielzeuge finden sich hier täglich im Stadtbild. Die Oberschicht verdient sehr gut und investiert in schicke Autos. Die kleinen Leute düsen mit den Elektrofahrzeugen durch die Straßen von Peking, auch viele Lieferanten benutzen diese Transportmittel. Jetzt müsste nur noch der Strom ohne stinkende Kraftwerke produziert werden, dann wäre es perfekt. Also bleibe ich beim Drahtesel und mache es wie der Fahrer unserer Hutongtour, ordentlich in die Pedale treten bringt einen auch von A nach B.

Tour
Mit der Fahrradrikscha durch die alten Hutongs, der Fahrer hatte schwer geladen und bekam ein gutes Trinkgeld für seine Leistung.

Bei der Tour durch die Hutongs konnten wir nicht nur einen Blick in die Lebensgewohnheiten der Bewohner dieser in der Mongolenzeit errrichteten Wohnviertel werfen sondern auch ahnen, wie es hier früher gestunken haben muss. Hutongs verfügen in der Regel über keine privaten Toiletten, sondern alle paar 100 Meter gibt es ein öffentliches WC. Diese wurden seitens der Stadt in vielen Hutongs bereits modernisiert, allerdings ist der Geruch weiterhin nicht gerade angenehm, wenn man daran vorbei fährt oder vielleicht dort in der Nähe wohnt. Das Abwassersystem Pekings verträgt kein Toilettenpapier, das führt zu Verstopfungen und in allen öffentliche WC’s weisen Schilder darauf hin, Papier (auch benutztes) nur in die Mülleimer zu entsorgen. Auch die Sitz-WC’s sind nicht überall verbreitet und aus den Hock-WC’s strömt ein atmenberaubender Duft. Wir versuchen diese so gut es geht zu meiden, aber bei zwei Kindern kommt man nicht darum herum, manchmal ein öffentliches WC zu benutzen, Nasenklammern wären eine gute Investition.

Grillzeit
Bessere Düfte am Grillstand

Da lobe ich mir doch lieber einen Ausflug in einen der vielen Parks in der Stadt. Gleich zwei Touren standen auf dem Programm der letzten Woche, zum einen die Fototour der Fotogruppe in den Yuyuantan Park und zum anderen ein Familienausflug in den Jingshan Park mit Blick auf die Verbotene Stadt. Beide sind auch unter der Woche gut besucht, die Chinesen lieben es in die Parks zu gehen, um zu entspannen, Sport zu treiben, ihre Fähigkeiten im Musizieren, Tanzen oder Singen zum Besten zu geben oder einfach nur um draußen zu essen. Im ersten Park stand daher auch eine ganze Batterie von Imbissbuden bereit, die mit allem was das Herz begehrt lockten. Popcorn, Eis, Fritiertes, Gegrilltes, Gerolltes, Früchtespieße oder farbenfrohe Getränke. Der Duft an den Grillständen ist sehr verführerisch und bei Gelegenheit werde ich zu einem der Fleischspieße greifen.

Blumen
Fotowahnsinn um einen Blütenbaum

Keine Zeit zum Essen haben wir, die Hobbyfotografen, momentan. Überall blüht und sprießt es und wenn das Wetter gut ist folgen Tausende dem Ruf nach einem guten Blütenfoto. Die Chinesen sind wahre Künstler im Drapieren der Familienmitglieder vor den blühenden Bäumen und Sträucher. Da wird sich extra schick gemacht, die Oma mit dem Rollstuhl herbei gefahren um möglichst ein tolles Foto mit spektakulärem Hintergrund zu schießen. Wir haben unseren Spaß, dem Treiben zu zuschauen und von diesen Aktionen Fotos zu machen, als Erinnerung an einen verrückten Frühling in Peking.

Fotografen
Ein Blumenbeet zieht die Fotografen in ihren Bann.

Eins haben die vielen Blüten: sie duften herrlich und verbreiten einen angenehmen Duft.