Auf Schusters Rappen unterwegs

Diesen schönen Beitrag über das Wandern habe ich gefunden und bediene mich heute einfach dessen Worte.

Mancher macht es zum Vergnügen in der Freizeit, im Urlaub oder aus sportlichen Gründen: wandern. Der Begriff „Wandern“ bedeutet ganz allgemein, von einem Ort zum andern ziehen und zwar zu Fuß. Wobei das aus ganz unterschiedlichen Beweggründen und auch mit unterschiedlichen Mitteln geschehen kann. Sich mit den eigenen Füßen fortzubewegen, ist seit Menschengedenken die einfachste Form, um sich von A nach B, von einem Ort zum anderen, zu begeben. „Auf Schusters Rappen“ sozusagen. Weil Schuster mit ihrem Handwerk des Besohlens von Schuhen nicht viel verdienten, konnten sie sich natürlich auch keine Rappen, schwarze Pferde, leisten und mussten zu Fuß gehen.

Wir leisten uns nur ein Foto vom Pferd.

In der Alltagssprache wird die Wendung scherzhaft verwendet, wenn man statt des Autos oder Fahrrads eben mal zu Fuß geht. Wie die Handwerksburschen mit ihrem Wanderstecken, dem Wanderstab und einem geschnürten Bündel, dem Vorläufer des Rucksacks. Noch heute kann man manchmal in Deutschland Zimmerleute in traditioneller Kleidung auf ihrer Wanderschaft sehen. Früher waren die sogenannten Wanderjahre für Handwerksburschen obligatorisch. Nach der Lehrzeit hieß es erst einmal: wandern! Erst dann konnte die Meisterprüfung abgelegt werden.Während der Wanderzeit – und das war Sinn und Zweck dieser Pflicht – wurden überall bei den Meistern der jeweiligen Zunft Erfahrungen gesammelt. Wahrscheinlich stammt daher der Ausdruck „bewandert sein“, was bedeutet, dass man sich sehr gut in einer Sache auskennt.

Blick ins Dorf
Weinbergtreppen
Auf der Sonnenbank

Wer auch wanderte, waren die sogenannten „fahrenden Leute“ ohne festen Wohnort. Die wandernde Schauspieltruppe, der Wanderzirkus, zog von einem Ort zum andern. Die Theaterleute, die Artisten, Clowns und Musikanten waren überall und nirgends zu Hause. Aber auch ganze Völker sind gewandert. Wie zum Beispiel die Germanen. Diese Völkerwanderungen fanden seit dem Ende des dritten vorchristlichen Jahrtausends in Europa statt. Diese Art von Wanderungen war aus der Not geboren, weil man vor Feinden fliehen musste. Manchmal taucht der Begriff „Völkerwanderung“ auch in der Umgangssprache auf als Synonym für eine sehr große Anzahl von Menschen, die sich an einen Ort begibt, etwa in ein Fußballstadion.

Rauchzeichen der Einheimischen
Steingartengewächs
Waldpfad

Wer heutzutage wandert, tut dies, weil er oder sie sich erholen will oder weil der Doktor dazu geraten hat, sich viel zu bewegen. Also werden Wanderschuhe gekauft, Wanderkarten der schönsten Wandergebiete, und dann geht es los. Auf gut gekennzeichneten Wanderwegen.

Seit der Romantik und der deutschen Turnbewegung steht Wandern in Deutschland hoch im Kurs. Es bildeten sich Wandervereine. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der „Deutsche Wandertag“ ins Leben gerufen. Die alljährlich stattfindende Großveranstaltung deutscher Wanderer hat das Wandern gewissermaßen institutionalisiert.

Mit Grenzwegen kennen wir uns aus.
Der überlebt alles.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gründeten in Steglitz, heute Berlin, Studenten und Schüler den „Wandervogel“, eine Jugendbewegung, die das Leben mit der Natur zu ihrem Motto machte. Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt heute als Wandervogel, wer gerne und ausgiebig wandert, wer sozusagen bekennender Wanderer ist.

Aber selbst wer schlecht zu Fuß ist, muss auf das Wandern nicht verzichten. Schließlich gibt es das Radwandern. Auch die Ruderer kennen Wanderfahrten.

Zarte Knospen überall
Romanitk am Wegesrand

„Wandern“, „zuwandern“, „einwandern“. Vergessen wollen wir nicht das Auswandern. Mancher denkt daran, vor allem wenn sie oder er sich im eigenen Land nicht mehr wohl fühlt. Allerdings machen es die wenigsten dann auch. Denn wohin auch immer man auswandert: zuerst müsste man einwandern.

Quelle: https://www.dw.com/de/auf-schusters-rappen-unterwegs/a-37171393

Hier kommt keiner vom Weg ab.

Ich bin kreuz und quer durch ganz Süddeutschland gewandert, habe im Schwarzwald in Holzhütten genächtigt, bin zu Fuß, nicht nur auf Schusters Rappen, sondern auf nackten Sohlen in die Schweiz gezogen und habe oft statt einer Zimmerdecke auch nur den nackten Himmel über mir gehabt. Als ich seßhaft wurde, war es nur dem äußeren Schein nach. Nirgends hielt es mich lange, und wenn ich drei Monate in einer Stadt zugebracht hatte, trat ein Zustand von Lufthunger ein. Berg und Gebirge zogen mich immer lebhafter an. Ich war monatelang unterwegs, wie um die mir gemäße Landschaft zu suchen. Zwischen meinem dreißigsten und vierzigsten Jahr bin ich in Italien von Stadt zu Stadt gezogen, aber alles Entzücken über die Schönheit, alle Sehnsuchtsbefriedigung konnte mich auf die Dauer nicht festhalten. Nach einer Weile verlangte mich nach einem Wald, nach einer Wiese, einem Schatten gebenden Baum, ja sogar einem schweren Wolkenhimmel. Der Süden rief mich, aber dem Norden war ich zu Eigen.

Jakob Wassermann (1873 – 1934)