Eine kleine Bilanz nach 10 Monaten

Germany
Flagge zeigen für Deutschland

Es scheint wie im Flug vergangen zu sein, seit 10 Monaten sind wir nun schon hier in Bangalore. Und wenn es für die Sommerferien zurück in die Heimat geht werden es dann bereits 11 Monate sein, die wir nicht in Deutschland waren. Zeit eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen unseres Abenteuers in Indien. Es gab viele schöne Momente und Erlebnisse, wie zum Beispiel der erste Schultag für unsere Kinder, unsere Reisen im Land und außerhalb, die Besucher aus Deutschland und vier Geburtstagsfeiern bei Sonnenschein und warmen Temperaturen, neue Freunde und Bekanntschaften, herrliche Fotomotive. Aber auch unzählige nervige oder aufreibende Angelegenheiten, die da wären: Banken-Bürokratie, ewiges Verkehrschaos, bellende Hunde in der Nacht, eine verschwundene Lehrerin, ein Schuldirektor im Gefängnis, ein Umzug mit kleinen Hindernissen, Stromausfälle und noch einige mehr. Wir haben hier vor allem eins gelernt: Geduld und Gelassenheit. Ohne die ist man zum Scheitern verurteilt. Das gelingt auch nicht immer und oft platzt einem dann die Hutschnur. Falls ich die Zeit finde könnte ich über all die vielen Geschichten ein Buch schreiben. Indien und speziell Bangalore ist sicher kein einfaches Land, viele Baustellen, schlechte Luft, Verkehrsstau jeden Tag, Müll und Dreck fast überall und einfach zu viele Menschen an einem Ort. Wir haben versucht eine Balance zu finden und uns kleine Fluchten (hier im Wohngebiet oder auf Reisen) erlaubt. Dank Internet konnten wir die meiste Zeit mit unseren Familien und Freunden in Kontakt bleiben. Jetzt freuen wir uns auf sechs Wochen in Deutschland und werden ein paar Dinge nachholen, die hier nicht immer möglich sind. Meine Töchter fragte ich auf was sie sich am meisten freuen in Deutschland: Großeltern, Freundinnen und Maultaschen waren die Antwort.

Ein paar Zahlen für die Statistik:

* 13.300 Fotos mehr im Computer
* ein neues Haustier
* eine tote Katze, 2 tote Mäuse, ca. 20 tote Kakerlaken
* unzählige tote Mücken und Ameisen
* 1,5 kg Mehl pro Woche verbacken = 66 kg
* 1 Umzug
* 2 neue Sarees im Schrank
* ca. 20.000 km mit dem Innova gefahren
* 30 neue Facebook-Freunde
* 1 neue Nichte :-)
* eine verpasste Hochzeit
* 1 schwangere Freundin

Indian
Oder schon für Indien?

Natürlich drücken wir unserer Fußballmannschaft die Daumen bei der EM. Auch wenn wir gern mal ein Cricket-Spiel anschauen, im Herzen halten wir zu Deutschland.

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Faces – schon entdeckt?

Besitzer
Ramachandra

Heute möchte ich mein Foto-Projekt „Faces“ vorstellen, welches seit einiger Zeit auf meiner anderen Webseite: www.ella-thoss.de entsteht. Nachdem ich viele anonyme Menschen in Indien fotografiert habe wollte ich besonderen Menschen eine Stimme geben. Viele von ihnen treffe ich bei meinen Einkaufstouren oder hier im Wohngebiet. Oft komme ich auch mehrmals, um erst das Foto zu machen und später ein paar Fragen zur Person zu stellen. Alle bisher Angesprochenen waren bereit mir Auskunft zu geben. Also einfach mal vorbei schauen auf Faces. Es werden immer neue dazukommen.

Einer meiner Lieblingsshops in Bangalore ist der „General Food Additives“ (Allgemeine Lebensmittelzusatzstoffe), den jeder kennen muss, wenn man begeisterter Hobbybäcker ist. Hier habe ich nach langem Suchen z.B. frische Hefe gefunden, Schokolade am Stück, Muffinsförmchen, Streusel zum Verzieren, Aromen und die beste Magarine der ganzen Stadt. Der Laden ist eine Institution und echter Geheimtip auch bei den Expats und wurde vor 36 Jahren eröffnet. Seit dieser Zeit arbeitet dort wohl auch schon Ramachandra (52), der den Laden jetzt leitet und immer ein freunliches Wort für seine Kunden hat. Gern erfüllt er auch Sonderwünsche und packt auf Bestellung alles zurecht, so dass man die gewünschten Sachen nur noch abholen muss.

Laden
Der kleine Laden von außen.
Verkauf
Das richtige Werbeshirt hat der Verkäufer ja an.

Viel lieber gehe ich aber persönlich dort hin, denn allein der Duft ist jedesmal wie eine Zeitreise. Es riecht nach Bäckerei, Oma’s alter Speisekammer und irgendwie fühle ich mich auch so. Es fehlt eigentlich nur noch der bereits fertige Kuchen oder ein paar Streusel in einer Schüssel zum Naschen. Die Inneneinrichtung ist bis auf die Klimaanlage (die ganz neu eingebaut wurde) noch aus der Zeit als der Laden eröffnet wurde. In uralten Schränke mit Glasschiebtüren verstecken sich die begehrten Backzutaten oder Backutensilien. Im antiken Kühlschrank wird die Hefe, Jogurt oder Frischkäse gelagert. Nachdem man seine Sachen ausgewählt hat, rechnet einer der Mitarbeiter (siehe IBM-Shirt) die Waren zusammen und man begibt sich einen Schritt weiter zum Cash Counter, wo Herr Ramachandra kassiert.

Inneneinrichtung
Die Inneneinrichtung scheint wie aus einer anderen Zeit zu sein.

Mit frischen Backzutaten ausgerüstet kann ich mich dann zu Hause ins Backen stürzen und den immer hunrigen Kindern frische Muffins oder Kuchen backen. Demnächst werde ich im Shop einmal den Blätterteig bestellen, den es dort wohl auch gibt; irgendwo versteckt; vielleicht auf dem geheimen Dachboden?

Ein Artikel in der aktuellen Timeout Bengaluru ist Ramachandra’s ganzer Stolz. Gleich als ich den Laden betrat zeigte er mir die Ausgabe und war sichtlich erfreut darüber. Nachzulesen hier: http://www.timeoutbengaluru.net/Food/eating_out_details.asp?code=704&source=1

Sinnlose Verkehrsregeln, Leben auf dem Mars und eine tote Maus

Lane
Aufruf zur Ordnung im Verkehr

Indien ist bekannt für eine strikte Justiz und harte Strafen bei Vergehen. So wurde kürzlich das Gesetz erlassen, das Sex unter 18 Jahren mit bis zu sieben Jahren Gefängnis geahndet wird. Auch im Straßenverkehr wundern wir uns schon lange nicht mehr über ungewöhnliche Regelungen. Seit ca. einem Jahr ist Helmpflicht für Motorradfahrer vorgeschrieben. Allerdings gilt das nur für den Fahrer, sämtliche Beifahrer (auch Kinder) dürfen weiterhin ohne Helm fahren. Das führt zu den tollsten Bildern hier, vier Personen auf dem Moped, aber nur einer trägt Helm. Oder es werden einfach Bauhelme aufgesetzt (sieht Foto weiter unten). Ebenso verhält es sich mit der Gurtpflicht im Auto. Nur Fahrer und Beifahrer vorn im Auto müssen sich anschnallen, für die Passagiere hinten im Auto gibt es keine Gurtpflicht, auch keine Kindersitze sind vorgeschrieben. Wir beobachten fast täglich, dass Kinder in den Autos rumspringen, die Köpfe zum Schiebedach heraus strecken oder sogar auf dem Schoß von Papa mitlenken dürfen. Immer wieder stehen Unfälle in der Zeitung, bei denen Kinder durch die Heckscheibe geschleudert wurden. Selbst in der Schule war es ein harter Kampf für alle Busse Gurte zu fordern und die Fahrer der Busse zu schulen, das diese auch angelegt werden müssen.

Scheiben
Jetzt verboten - verdunkelte Scheiben

Die nächste für mich sinnlose Regelung ließ nicht lange auf sich warten. Seit gestern sind verdunkelte Scheiben an Fahrzeugen verboten. Lediglich Fahrzeuge, die spezielle Scheiben von Werksseite eingebaut haben sind ausgenommen. Alle anderen müssen die nachträglich installierten Folien entfernen. Wer dennoch erwischt wird, muss beim 1. Mal 100 INR (1,44 €) beim 2. Mal 300 INR (4,32 €) Strafe bezahlen, beim 3. Mal wird der Führerschein bzw. das Fahrzeug eingezogen. Hintergund dieser Regelung ist wohl eine Vergewaltigung in Dehli, bei dem das Opfer aufgrund der dunklen Scheiben keine Hilfe erhalten hat. Für mich stellt sich die Frage, ob sich mit der Regelung solche Strafetaten verhindern lassen. Keine Verdunklung mehr bedeutet:
– jeder kann sehen, wer im Auto sitzt (auch Frauen, die allein unterwegs sind, werden jetzt schneller erkannt)
– keine Wertgegenstände können mehr im Fahrzeug liegen gelassen werden
– aufgrund der enormen Sonneneinstrahlung hier heizt sich der Innenraum schneller auf (ergo: Klimaanlage läuft auf Hochtouren, was nicht gerade umweltfreundlich ist)
– mit Kindern reisen wird noch anstrengender (auch die mobilen Sonnenblenden sind nicht erlaubt)
– des Entfernen der Folien in ganz Indien verursacht noch mehr Umweltschäden (die Folien werden einfach neben den Werkstätten verbrannt)

Unsere Folien haben wir entfernt, auch wenn sie gar keine komplette Verdunklung bewirkten. Es gibt für ganz Bangalore nur zwei Messgeräte, denn eine gewisse leichte Verdunkung wäre wohl noch erlaubt. Auf Diskussionen mit der Polizei haben wir allerdings keine Lust. Zwischen 5 und 10 € kostet das professionelle Entfernen der Folien, die momentan an allen großen und kleinen Autowerkstätten angeboten werden. Auch einige findige Inder sind auf die Idee gekommen, schnell ein Business zu starten, um sich ein paar Rupeen zu verdienen mit dem Entfernen der Folien.

Autowerkstatt
Autobude - Andrang

Ochsenkarren und freilaufende Kühe sind weiterhin nicht verboten auf den Straßen in Bangalore. Ich bezweifle, dass sich letztere an eine weitere neue Regelung halten werden. Demnächst ist auf einigen Straßen das Fahren in Fahrspuren vorgeschrieben. Erste Versuche, die Autofahrer mit Kegeln in den Spuren zu halten scheiterten wohl kläglich, die wurden einfach umgefahren.

Fummelei
Fummelarbeit Folienentferung
Baustelle
Arbeiten wir im Mittelalter

Die Straße zu unserem Wohngebiet kann man eigenlich gar nicht als Straße bezeichnen. Seit wir hier angekommen sind müssen wir die gut 500 m über diese Huckelpiste oft mehrmals am Tag in Kauf nehmen. Einmal wurde schon ausgebessert und es kamen ca. 20 Bauarbeiter, die per Hand die Löcher auffüllten. Jetzt kurz vor dem Beginn des Monsuns regt sich wieder etwas auf dem Weg. Die Entwässerung rechts und links der Fahrbahn wird erneuert. Dazu kam dann sogar ein Bagger vorbei, der Gräben ausghoben hat. Jetzt sind wieder Bauarbeiterfamilien (inklusive Kleinkinder) angerückt, die Steine in die Drainage füllen. Keine Ahnung, ob die rechtzeitig bis zum Regen fertig werden. Die vielen Erdhäufen lassen jedenfalls den Eindruck erwecken, wir leben auf dem Mars. Und auf die Schlammschlacht freue ich mich schon jetzt, der Monsun soll diese Woche Bangalore erreichen.

Mars
Leben wie auf dem Mars
Bauhelme
Helmpflicht im Straßenverkehr
Loch
Gefährliche Löcher im Gehweg

Soviel zum Thema Shopping gehen in Bangalore. Beinahe wäre ich in dieses Loch gefallen auf dem Weg zum Bikeshop (musste wieder eine SMS lesen :-). Diese Löcher oder andere Hindernisse findet man hier eigentlich auf jedem Gehweg. Mit Kindern muss man höllisch aufpassen, das keins dort hinein fällt. Da ziehen wir dann die Shopping-Malls den Gehwegen vor.

Dreck
Noch ein Hinderniss auf dem Gehweg
Maus
Die tote Maus im Haus.
Katze
Brave Katze "Butter"

Indische Produkte

Viele fragen sich vielleicht wie die Lebensmittel hier in Indien aussehen. Also habe ich einige Produkte fotografiert. Auf allen Lebensmitteln und sogar auf der Zahnpasta gibt es entweder einen grünen (vegetarisch) oder einen roten (nicht vegetarisch) Punkt. Sehr viele Inder sind strenge Vegetarier und die kaufen dann natürlich nur die Produkte mit dem grünen Punkt.

Tee
Der gute Taj Mahal Tee

Preis: 80,- INR = 1,15 €

Zahnpasta
Fire and Ice Zahnpasta

Preis: 36,- INR = 0,52 €

Veg
Grüner Punkt bedeutet: vegetarisch

Mehl
Mehl heißt hier Maida

Preis: 16,50 INR = 0,23 €

Reis
Immer wieder gern - Basmatireis

Preis: 120,- INR = 1,73 €

Bonbons
Machte Lotte happy - Caramelltoffees mit ihrem Namen

Preis: 5,- INR = 0,07 €

Odomos
Ab 18 Uhr nur mit Odomos gegen Mücken draußen.

Preis: 65,- INR = 0,94 €

Müsli
Müsli aus Deutschland jetzt auch hier erhältlich.

Preis: 189,- INR = 2,73 €

Demnächst dann wieder ein etwas längerer Artikel von mir.