Freie Presse Artikel vom 03. August 2012
Vielleicht sollte ich doch endlich Vegetarier werden.
Nachdem die Familie / das Dorf seinen Ganesha erworben hat wird ein Transport organisiert, der das gute Stück zum nächstgelegenen See oder Fluss schafft. Denn nur wenn der Gott Ganesha im Wasser wieder in seine Bestandteile (Ton, Lehm, Papier) zerfällt, kann er im nächsten Jahr wiederkommen. In ganz Bangalore werden demzufolge ca. 100.000 Ganeshas ins Wasser geworfen. Ist kein See oder Fluß in der Nähe dient auch schon mal ein Wassereimer zum sogenannten Dipping. Diese Woche wurden in sämtlichen Gewässern Bangalores erhöhte PH Werte gemessen. Aber das wundert mich nicht, nachdem ich miterleben konnte, wieviele dieser bemalten Figuren an nur einem der offiziellen Plätze im Wasser landeten. Dieser Ganesha auf dem LKW ist schon eine etwas größere Ausfertigung. Daher sind auch viele Helfer erforderlich, die alle mitfahren. Man beachte den Herren links auf dem Wagen mit der langen Holzstange, diese wird zum Anheben der manchmal etwas tief hängenden Stromleitungen benutzt. Auch der Herr rechts hat wieder einen sehr schönen Platz gefunden (mit Aussicht).
Die Ganeshaverehrer erreichen den See. Es werden sofort Freudentänze um das Fahrzeug veranstaltet. Einige haben auch Tröten oder Trommeln mitgebracht, um das ganze musikalisch zu untermauern. Richtige Helden entzünden sogar ein Feuerwerk direkt auf der Straße.
Wir machten uns zu dritt ausgerüstet mit unseren Kameras zum sogannten Sankey Tank in Bangalore auf. Der Freitag nach dem Ganeshageburtstag erschien uns vielversprechend. Nicht zu überlaufen und doch schon was los. In den frühen Abendstunden erreichten wir den vom eigentlich großen See abgetrennten Bereich, der als offizielle Stelle zum Ganesha Versenken freigegeben ist. Es dauerte auch nicht lange und die ersten Leute kamen mit ihren Ganeshas dort an. Zu Fuß, per Motorrad, in der Riksha oder Auto bzw. im LKW wurden die Gottheiten vorgefahren. Das Wasserbecken war bereits gefüllt mit bräunlicher Brühe und ringsherum abgezäunt. Mehrere Öffnungen dienten dann als Abgabeplatz. Dort stehen Helfer, die für ein kleines Entgelt die Zeremonie des Untertauchens übernehmen. Nicht jeder darf das selbst machen, nachdem schon viele Inder in den letzten Jahren dabei ertrunken sind, denn die meisten können nicht schwimmen. Auch ein Tretboot ist im Einsatz, um nicht ganz unter gegangene Ganeshas tiefer zu tauchen oder alte wieder herauszuholen, um Platz für die neuen zu machen.
Stolz tragen die Leute ihren geschmückten Ganesha zum Sankey Tank.
Bevor der Ganesha zu Wasser gelassen wird erfolgt eine ausführliche Puja. Diese Zeremonie wird grundsätzlich gemacht und ist ein alltägliches Ritual. Nicht nur bei solchen Anlässen, sondern z.B. auch bei Fahrzeugen (1x im Jahr), beim Einzug ins neue Haus, bei Namensgebung von Babys, vor Reisen, bei anderen heiligen Feiertagen, die Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen. Inder machen einfach immer und überall Puja, denn es gibt viele Götter und Anlässe dafür.
Auch Gauri, die Mutter Ganeshas wird an diesem Tag verehrt und bekommt ebenfalls eine Puja verpasst.
Eigentlich recht unspektakulär verläuft dann das Eintauchen. Die Helfer gehen mit der Gottheit in ca. knietiefes Wasser und tauchen diese ein oder zweimal unter genauer Beobachtung der Eigentümer ins Wasser ein bevor sie die Figur ganz loslassen und diese in der braunen Brühe verschwindet. Aber es muss ja schließlich ein bisschen würdevoll ablaufen, da ist wohl ein Hineinwerfen nicht die richtige Art und Weise.
Nach der Tauchaktion nimmt der Helfer etwas Wasser aus dem See und wirft es über die Eigentümer des gerade versenkten Ganeshas. Andere (meistens Gruppen) feiern fröhlich und ziehen mit Gesang und Musik wieder ab. Einige der Teilnehmer hatten wohl schon vorab mit Alkohol ein bisschen für Stimmung gesorgt. Es blieb aber friedlich und wir fühlten uns nie unsicher dort, was wohl auch an dem großen Aufgebot an Polizei lag, die den Platz bewachten.
Für die meisten ist es ein Familienausflug für einen besonderen Tag. Es gibt auch Essen, welches innerhalb der Familie verteilt wird und selbst die bettelnden Straßenkinder mussten in diesen Tagen nie hungrig ins Bett gehen.
Ein spannendes Erlebnis für uns auf alle Fälle.
Nach knapp 14 Monaten hier in Indien holt uns der SCHRECKEN WERTSTOFFHOF wieder ein. Wie froh waren wir, das wir nicht mehr jeden zweiten Samstag zum geliebten Wertstoffhof in Altdorf fahren mussten, um dort in unzähligen Containern jeden Schnipsel Müll einzel abzugeben. Ich bin kein Feind des Recyclings, aber manchmal nervte es mich schon. Hier in Indien wird üblicherweise der Müll auf der Straße entsorgt und dort an Ort und Stelle verbrannt. Auch nicht die richtige Lösung, klar. Eine funktionierende Müllabfuhr gibt es nur für ausgewählten Wohngebieten. Der Müll wird dann dort abtransportiert und an vielen Stellen in der Stadt abgeladen, um dort von Leuten sortiert zu werden. Ich bedauere diese Menschen immer besonder sehr, wie die in diesem stinkendem Dreck waten und Plastik, Papier oder andere verwertbare Stoffe rausklauben, ohne Mundschutz, ohne Handschuhe. Einfach nur widerlich. Der Müll auf den Straßen wird ebenfalls von vielen sogenannten Müllsammlern durchsucht, die sich jeweils auf Papier oder Plastik spezialisiert haben. Mit übervoll beladenen Fahrrädern bringen sie die gesammelten Stoffe zu kleinen Buden, wo sie dafür ein paar Rupees erhalten. Rauchende Müllberge gehören hier eigentlich zum Alltag. Seit wir hier wohnen trennen wir unseren Müll. Plastik, Flaschen, Papier, Metall alles wurde zweimal die Woche zusammen in einer Tüte von den Müllfrauen hier im Compound direkt am Haus abgeholt. Für den Restmüll gab es ebenfalls eine Tonne.
Seit dem 01. Oktober gilt nun ein striktes Recyclinggebot in der Stadt. Da sich die Bauern vom Lande den auf ihren Feldern entsorgten Stadtmüll nicht mehr gefallen ließen dachte sich die Regierung jetzt eine Mülltrennung aus. Vom Prinzip her sehr gut, endlich wird etwas gegen den Müllwahnsinn in der Stadt unternommen. Aber wer Indien kennt, weiß, dass diese Aktion wieder einmal ohne Plan und nicht richtig durchdacht ist. Eine Müllabfuhr gibt es weiterhin nicht. Müllverbrennungsanlagen sind keine vorhanden. Wo der gut sortierte Müll dann hinkommt? Keine Ahnung. Bei Strafe von 100 Rs muss jetzt alles getrennt werden. Dafür wurden bereits Tafeln aufgestellt und bei uns im Wohngebiet Zettel verteilt. Darauf wird erklärt, dass es praktisch keinen Restmüll mehr gibt. Alles muss getrennt werden, selbst der gebrauchte Kaffeefilter gilt als Papier, das nasse Küchenkrepp ebenfalls. Damenhygieneartikel müssen in Zeitungspapier gewickelt den Mülldamen überreicht werden! Sämtlicher Plastik, Tertapacks und Flaschen sollen gespült in die dafür bereitgestellten Tonnen entsorgt werden. Jeden Tag zwischen 08:30 und 09:30 wird dann der sog. Kitchenwaste (also Küchenabfälle) eingesammelt. Aber wehe es findet sich darin ein Krümelchen Papier oder Plastik. Für was es allerdings eine Biotonne und eine Küchenmülltonne gibt verstehe ich nicht. Wahrscheinlich bekommen die Kühe jetzt Trennkost, erst die Küchenabfälle und dann die Gartenabfälle. Ich kann mir nämlich nichts anderes vorstellen, als das dieser Müll an irgendeiner Stelle den Kühen zum Fressen hingeworfen wird. So hielten wir es nämlich bereits die letzten Monate, unsere Küchenabfälle nimmt meistens der Fahrer mit und gibt sie unterwegs einem hungrigen Tier.
Der Spaß fing dann heute an, als ich meinen 3 Tage alten Restmüll an die Damen vom Müllteam übergeben wollte. Darin befanden sich in Küchenkrepp eingewicktele Gemüsereste, Jogurtbecher (die Steffen auch gern mal in den Restmüll schmeiß, statt in den Plastik), Teebeutel, Essensreste, eben alles was sich in 3 Tagen so ansammelt in einem Haushalt. Den Zettel für die Mülltrennung hatten wir aber erst gestern erhalten. Keine Chance, den Müll nehmen wir nicht, das muss alles sortiert werden, meinte die Dame dann in einem Misch-Masch aus Englisch, Hindi und Handzeichen. Ich weigerte mich, diesen Dreck zu sortieren und ließ die Tüte erstmal vor dem Haus liegen. Ein weiteres Problem mit Küchenabfällen sind die vielen Ameisen und andere Krabbeltiere, die sich sofort über alles Essbare hermachen. Tüten mit Essensreste vor dem Haus zu lagern ist hier keine gute Idee, denn nicht nur Ameisen auch Ratten und Katzen sind schnell vor Ort. Unser Fahrer kam dann gegen später und schmunzelte über diese Story. Er meinte bei ihnen im Wohngebiet gibt es noch keine Mülltrennung. Also nimmt er die Tüte mit und entsorgt sie dort.
Heute haben wir uns dann drei große Tüten zum Trennen im Haus besorgt. Die bei uns im Wohngebiet waren natürlich bereits alle. Morgen wird dann Sonia in die hohe Kunst der Mülltrennung eingewiesen. Ich bin gespannt, wie lange sie hier im Wohngebiet und die Regierung durchhalten. Auf dem Weg zu unseren Freunden konnten wir uns dann wieder an den vielen Müllbergen entlang des Weges erfreuen. Es wäre bereits ein Fortschritt gewesen, eine normale Mülltrennung über die ganze Stadt zu organisieren und die Verbrennungsaktionen zu unterbinden. Jetzt mit punktuellen Wahnsinns-Recycling-Aktionen dem Müllproblem Herr zu werden erscheint mir wie ein guter Streich aus Schilda. Aber vielleicht gibt es dann demnächst wieder einen Streik. So wie letztens als über das Wasserproblem oder die gestiegenen Benzinpreise oder Erhöhung von Gehältern der Busfahrer gestreikt wurde.