Montafon – eine erste Annäherung

Jede Zeit glaubt sich auf der Höhe des Berges, den menschliche Kultur langsam ersteigt und jede folgende sehnt sich zurück nach dem heimlichen Tal, das jene für das Ende ihres Weges gehalten hatte.

August Pauly (1850 – 1914)

Landschaft – Szenerie – Stille – Ausblicke – Tradition – die Bergwelt fasziniert und ohne sie wäre die Welt irgendwie leer, flach und anders. Welches Glück, dieses Schauspiel der Natur nicht weit entfernt zu finden und tatsächlich immer neue Gegenden entdecken zu können. Aus dem engen Tal erheben sich mit aller Kraft die Gipfel und wenn die Sonne am Morgen die ersten Strahlen auf die Flanken der Gesteine wirft, zieht es einen nach Draußen und in die Höhe.

Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.

Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)

Durchs Silbertal führte einer unserer Wege, die wir gingen. Früher für den Silberabbau bekannt, beherrschen heute der Tourismus und die Landwirtschaft die Geschäfte der knapp 900 Personen zählenden Gemeinde. Die Litz fließt stetig das Tal hinunter und gibt uns Wanderern Kühlung im nicht enden wollenden Sommer.

Lerne Laufen und du enteilst der Zeit.

Volkmar Frank (*1962)

Trügerisch die Idylle – die Alpen werden sich verändern – das Klima lässt die Kühe bis spät in den September hinein auf den Almen grasen. Die Touristen suchen ganzjährig, was sie in den Bergen für sich erhoffen. Ruhe oder Trubel liegen hier nicht sehr weit auseinander. Abgelegene Pfade kennen wohl nur die Einheimischen.

Der Mensch ist zur Vollkommenheit nur bei der Zerstörung fähig.

Erhard Blanck

Unwissend falsch abgebogen sind wir am letzten Tag dieser kurzen Reise. Der steile Pfad führte uns auf einen alpinen Steig, der unsere Ausdauer, Geduld und auch ein bisschen Mut herausforderte. Das „Hohe Rad“ erreichten wir letztendlich nicht, die Hütte darunter zum Glück vor Schließung und totalem Ausverkauf. Es waren anstrengende Stunden, die uns dennoch als besondere in Erinnerung bleiben werden. Der Zauber des Alpenglühens, wenn die letzten Sonnenstrahlen alles in ein magisches Licht tauchen, entschädigte für die Mühen.

Der Silvrettagletscher ist auch hier fast verschwunden. Seit 1956 ist er um mehr als 300 Meter geschrumpft. Falls es in meinem Leben Enkelkinder geben sollte, werden diese wahrscheinlich nur noch die kümmerlichen Reste des Gletschers erleben können.

Meine erste Reise nach der Öffnung der Mauer ging übrigens auch in die Berge. 1990 bestaunten wir die Gipfel, Gletscher und Täler der Dolomiten in Italien, damals war ich nur wenige Monate älter, als meine Tochter heute. So konnte ich ihr berichten, dass es damals eine sehr emotionale Reise für unsere Familie war. Zusammen mit den Verwandeten aus Rheinland-Pfalz, die uns jahrelang in der DDR besuchen kamen, konnten wir jetzt gemeinsam vereisen. Im geliehenen Auto und mit geborgten Geld feierten wir damals die Wiedervereinigung und den Sieg der Deutschen Fußballer bei der gerade dort stattfindenden Weltmeisterschaft in Italien.

Berge kommen nicht zusammen, aber Menschen.

Jüdisches Sprichwort

Wer küsst schon einen Leguan? Oder ein Lama?

Wie in vielen Familien kommt auch in unserer in letzter Zeit vermehrt die Frage nach einem Haustier auf. Hund, Katze, Maus … alles wird von den Töchtern verlangt, allerdings bietet eine Allergie der Großen gegen Tierhaare einen ersten Einhalt. Aber Rennmäuse wären wohl eine Option, denn darauf hat sie bei der Freundin nicht reagiert. Diese stehen nun hoch im Kurs, es werden Bücher zu Haltung und Pflege gelesen und der richtige Platz für den Stall ausgesucht. Wir werden uns wohl nicht mehr lange dagegen wehren können, pädagogisch sind Haustiere für Kinder ebenfalls gern gesehen, wegen der Verantwortung, die man dabei lernt. Die wird hoffentlich dann nicht so bald auf mich übertragen, wenn das erste Interesse an den Mäusen abgeflaut ist.

Aber die Mama hat ja sowie so einen Knall,: „Welche Mama will denn schon ein Alpaka als Haustier?“ fragte mich meine Tochter ganz entsetzt, als ich einmal wieder den Wunsch geäußert hatte, irgendwann eine Herde Alpakas mein Eigen nennen zu wollen. Ja, nicht gerade das übliche Haustier, aber irgendwie bin ich seit meiner ersten Begegnung in Australien fasziniert von diesen Tieren. Auch mein Mann schüttelte den Kopf, als ich im von einer neuen Freizeitattraktion im Schwarzwald erzählte; dort werden Alpaka-Führungen angeboten. Nun stand der Winterurlaub in Tirol vor der Tür und leider erwachte Frau Holle erst kurz vor unserer Rückreise nach Hause aus ihrem Winterschlaf und schickte den ersehnten Schnee. Mangels Skifahren vertrieben wir uns die Zeit mit Wandern und Eislaufen, besuchten kuschelig eingerichtete Skihütten und wärmten uns am eigenen Kamin bei Stollen und Kaffee. Im Internet fanden wir dann den Koglhof in Ellmau, der neben Ferienzimmern auch eine Herde Lamas bietet, mit denen Familien oder Gruppen Trekking gehen dürfen. Zwar keine Alpakas, aber immerhin, wir meldeten uns für eine Führung an und erreichten nach kleiner Suche am Sonntag den herrlich gelegenen Hof, unterhalb des wilden Kaisers. Ruth, die Besitzerin und ihre Tochter erwarteten uns schon und zur Freude von mir gab es neben den gut 30 Lamas auch einen jungen Alpakahengst namens Lui. Wir durften uns im Stall jeder ein Lama aussuchen, welches wir an einem Halfter dann führen sollten. Steffen wählt Hugo, Ella entschied sich für den schon etwas betagten und kleineren Leo und Charlotte schnappte sich Samba (feuriger Tänzer passt ja irgendwie auch zu ihr).

Lama Hugo
Lama Hugo, der Schönste im Stall.

Nachdem wir unsere Lamas ausgesucht haben, durften wir erst eine Runde striegeln. Das machte nicht nur uns Spaß, auch die Tiere genießen dieses Ritual sehr. Allerdings nur, wenn sie daran gewöhnt sind. Normalerweise sind die Lamas Fluchttiere und müssen an Menschen gewöhnt werden, wenn sie Vertrauen gefasst haben, lassen sie sich sehr gut anfassen und eben auch an der Leine führen. Selbst kleinere Kunststücke kann man den Tieren beibringen.

Alpaka
Lui, das einzige Alpaka mit Lamafrisur.

Die Wanderung führte durch den am Grundstück liegenden Wald, über kleine Brücken und dann durch den Ort, wo wir erstaunte Touristen aber auch Einheimische trafen, die der Anblick unserer Gruppe nicht überraschte. Regelmäßig sind die Lamas auf dieser Route unterwegs, es werden sogar Gebirgstouren angeboten, z.B. auf die Gruttenhütte unterhalb des Wilden Kaisers. Dann mit Gepäck, die Lamas sind hervorragende Lasttiere.

Leo
Ella und Leo – sehr ruhiges Lama

Lamas und Alpakas sind sehr einfühlsame  Wesen, die sich sehr gut an die Person anpassen, welche sie gerade führen. Auch den Bezug zur Besitzerin konnten wir immer wieder deutlich erleben, sobald sie sich umdrehte und nicht mehr das Lama anschaute, versuchte dieses an der nächstbesten Stelle zu fressen. Ist man unruhig oder hektisch beim Trekking ist auch das Tier launisch. Ella war das beste Beispiel, sie lief mit ihrem Leo in einer Seelenruhe durch die Gegend, als wenn sie noch nie etwas anderes gemacht hat. Für unsere hippelige Charlotte war es schon etwas schwieriger, ihr Samba passte sich hervorragend an ihre Art an, sie hatte größere Mühe mit ihm. Der kleine Lui (Alpaka) war ein geduldiger Kerl, der schon sehr viel gelernt hat im Umgang mit fremden Touristen. Wir beide gingen der Gruppe voran, als sich die Herde hinter uns etwas verlangsamte, wurde auch er langsam und wartete instinktiv auf seine Artgenossen.

Bruno Pause
Bei der Pause mit Bruno.

Pause
Samba und Charlotte

Nach gut einer Stunde erreichten wir den Hof und führten die Lamas zurück in den Stall. Wir blieben noch eine ganze Weile stehen und ließen uns die anderen Lamas zeigen, eine herrliche Ruhe stellte sich ein, alle entspannten sich. Und der schönste Moment dieser Tour war für mich, als eines der Tiere ganz langsam auf uns zukam. Es ist laut Besitzerin Ruth ein sehr verschmustes Lama, was uns schnell klar wurde. Immer wieder streckte es uns den Kopf entgegen, so als wollte es uns einen Kuss geben. Am Anfang ist das schon sehr ungewöhnlich, aber wenn man sich darauf einlässt ein wirklich tolles Gefühl. Ganz nah kam es an mein Ohr und ich konnte es atmen hören, die Schnauze ist weich und berührte meine Wange mehrmals. Steffen wollte den Moment festhalten, aber ich wollte das Lama nicht erschrecken mit der großen Kamera. Manchmal muss man einen Moment einfach so genießen, Foto hin oder her. Ich werde es sicher nicht vergessen. Ob die eigene Herde irgendwann Wirklichkeit wird, wird sich zeigen, träumen kann man ja weiter davon und das Trekking in Ellmau war sicher nicht die letzte Tour.

Besucher
Die anderen warten schon neugierig auf uns Besucher.