Hilfe – indischer Wertstoffhof!

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Indischer Wertstoffhof in unserem Compound.

Nach knapp 14 Monaten hier in Indien holt uns der SCHRECKEN WERTSTOFFHOF wieder ein. Wie froh waren wir, das wir nicht mehr jeden zweiten Samstag zum geliebten Wertstoffhof in Altdorf fahren mussten, um dort in unzähligen Containern jeden Schnipsel Müll einzel abzugeben. Ich bin kein Feind des Recyclings, aber manchmal nervte es mich schon. Hier in Indien wird üblicherweise der Müll auf der Straße entsorgt und dort an Ort und Stelle verbrannt. Auch nicht die richtige Lösung, klar. Eine funktionierende Müllabfuhr gibt es nur für ausgewählten Wohngebieten. Der Müll wird dann dort abtransportiert und an vielen Stellen in der Stadt abgeladen, um dort von Leuten sortiert zu werden. Ich bedauere diese Menschen immer besonder sehr, wie die in diesem stinkendem Dreck waten und Plastik, Papier oder andere verwertbare Stoffe rausklauben, ohne Mundschutz, ohne Handschuhe. Einfach nur widerlich. Der Müll auf den Straßen wird ebenfalls von vielen sogenannten Müllsammlern durchsucht, die sich jeweils auf Papier oder Plastik spezialisiert haben. Mit übervoll beladenen Fahrrädern bringen sie die gesammelten Stoffe zu kleinen Buden, wo sie dafür ein paar Rupees erhalten. Rauchende Müllberge gehören hier eigentlich zum Alltag. Seit wir hier wohnen trennen wir unseren Müll. Plastik, Flaschen, Papier, Metall alles wurde zweimal die Woche zusammen in einer Tüte von den Müllfrauen hier im Compound direkt am Haus abgeholt. Für den Restmüll gab es ebenfalls eine Tonne.

Tafel
Infotafeln zieren das Stadtbild. Strafe für nicht ordnungsgemäßes Recycling: 100 Rs (1,50 €).

Seit dem 01. Oktober gilt nun ein striktes Recyclinggebot in der Stadt. Da sich die Bauern vom Lande den auf ihren Feldern entsorgten Stadtmüll nicht mehr gefallen ließen dachte sich die Regierung jetzt eine Mülltrennung aus. Vom Prinzip her sehr gut, endlich wird etwas gegen den Müllwahnsinn in der Stadt unternommen. Aber wer Indien kennt, weiß, dass diese Aktion wieder einmal ohne Plan und nicht richtig durchdacht ist. Eine Müllabfuhr gibt es weiterhin nicht. Müllverbrennungsanlagen sind keine vorhanden. Wo der gut sortierte Müll dann hinkommt? Keine Ahnung. Bei Strafe von 100 Rs muss jetzt alles getrennt werden. Dafür wurden bereits Tafeln aufgestellt und bei uns im Wohngebiet Zettel verteilt. Darauf wird erklärt, dass es praktisch keinen Restmüll mehr gibt. Alles muss getrennt werden, selbst der gebrauchte Kaffeefilter gilt als Papier, das nasse Küchenkrepp ebenfalls. Damenhygieneartikel müssen in Zeitungspapier gewickelt den Mülldamen überreicht werden! Sämtlicher Plastik, Tertapacks und Flaschen sollen gespült in die dafür bereitgestellten Tonnen entsorgt werden. Jeden Tag zwischen 08:30 und 09:30 wird dann der sog. Kitchenwaste (also Küchenabfälle) eingesammelt. Aber wehe es findet sich darin ein Krümelchen Papier oder Plastik. Für was es allerdings eine Biotonne und eine Küchenmülltonne gibt verstehe ich nicht. Wahrscheinlich bekommen die Kühe jetzt Trennkost, erst die Küchenabfälle und dann die Gartenabfälle. Ich kann mir nämlich nichts anderes vorstellen, als das dieser Müll an irgendeiner Stelle den Kühen zum Fressen hingeworfen wird. So hielten wir es nämlich bereits die letzten Monate, unsere Küchenabfälle nimmt meistens der Fahrer mit und gibt sie unterwegs einem hungrigen Tier.

Der Spaß fing dann heute an, als ich meinen 3 Tage alten Restmüll an die Damen vom Müllteam übergeben wollte. Darin befanden sich in Küchenkrepp eingewicktele Gemüsereste, Jogurtbecher (die Steffen auch gern mal in den Restmüll schmeiß, statt in den Plastik), Teebeutel, Essensreste, eben alles was sich in 3 Tagen so ansammelt in einem Haushalt. Den Zettel für die Mülltrennung hatten wir aber erst gestern erhalten. Keine Chance, den Müll nehmen wir nicht, das muss alles sortiert werden, meinte die Dame dann in einem Misch-Masch aus Englisch, Hindi und Handzeichen. Ich weigerte mich, diesen Dreck zu sortieren und ließ die Tüte erstmal vor dem Haus liegen. Ein weiteres Problem mit Küchenabfällen sind die vielen Ameisen und andere Krabbeltiere, die sich sofort über alles Essbare hermachen. Tüten mit Essensreste vor dem Haus zu lagern ist hier keine gute Idee, denn nicht nur Ameisen auch Ratten und Katzen sind schnell vor Ort. Unser Fahrer kam dann gegen später und schmunzelte über diese Story. Er meinte bei ihnen im Wohngebiet gibt es noch keine Mülltrennung. Also nimmt er die Tüte mit und entsorgt sie dort.

Heute haben wir uns dann drei große Tüten zum Trennen im Haus besorgt. Die bei uns im Wohngebiet waren natürlich bereits alle. Morgen wird dann Sonia in die hohe Kunst der Mülltrennung eingewiesen. Ich bin gespannt, wie lange sie hier im Wohngebiet und die Regierung durchhalten. Auf dem Weg zu unseren Freunden konnten wir uns dann wieder an den vielen Müllbergen entlang des Weges erfreuen. Es wäre bereits ein Fortschritt gewesen, eine normale Mülltrennung über die ganze Stadt zu organisieren und die Verbrennungsaktionen zu unterbinden. Jetzt mit punktuellen Wahnsinns-Recycling-Aktionen dem Müllproblem Herr zu werden erscheint mir wie ein guter Streich aus Schilda. Aber vielleicht gibt es dann demnächst wieder einen Streik. So wie letztens als über das Wasserproblem oder die gestiegenen Benzinpreise oder Erhöhung von Gehältern der Busfahrer gestreikt wurde.

Muellsammler
Auf dem Weg zum Papierhändler.
Feuer
Vor den Türen des Wohngebiets wird fleißig Müll verbrannt.
Muell
Müllberg Nr. 1
Muell_2
Müllberg Nr. 2
Muell_3
Müllberg Nr. 3
Muell_4
Müllberg Nr. 4