Ein bewegtes Jahr

Es könnte ebenso „Ein bewegendes Jahr“ heißen. Am 14. Juli 2020 kamen wir an, hier im heißen Singapur, knapp 152 km nördlich vom Äquator. Für viele eine Stadt der Träume, Touristenhub für Reisende im ganzen asiatischen Raum, für uns das neue Zuhause auf Zeit. Wir hatten uns eine eher ungünstige Zeit für einen weiteren längeren Auslandsaufenthalt ausgesucht. Viele im Familien- und Bekanntenkreis konnten es nicht verstehen, warum jetzt? , das Virus, es wird gefährlich dort, bleibt lieber hier. Wir haben eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt, Freude und Wut lagen oft genug nur einen Wimpernschlag auseinander. Zwei Wochen Quarantäne, einen Covid-Test, einen Mini-Lockdown und bisher sechs Impfungen später ist es an der Zeit ein kleines Resüme zu formulieren.

Die positiven Gedanken sollen diese Mal überwiegen, denn sie sind das was übrig bleiben wird, da bin ich mir sicher. Neue Freunde zählen zu den wertvollsten Geschenken, die uns das eine Jahr hier geschenkt hat. Seien es die Mädels aus der „Mustafagruppe“, die „privaten Weltfrauen“, Nachbarn, die immer zur Stelle sind, wenn sie gebraucht werden, Eltern und Lehrer der Schule unserer Kinder. Die Gemeinschaft rückte in Zeiten des „Eingesperrtseins“ näher und intensiver zusammen.

Mit neuem Rennrad erkundeten wir Stadtteile, die uns auf diesem Weg besonders ans Herz gewachsen sind. Gerade in den menschenleeren Straßen der Morgenstunden versprüht die Stadt eine ganz andere Atmosphere. Wenn die Sonne über der Marina Bay aufgeht, wenn in Little India die ersten Pratas verkauft werden, wenn am Eastcoast Park Tai Chi oder Fächertanz von den Einheimischen praktiziert wird, während viele noch schlafen.

Die MRT, Busse und Taxifahrer machten jeden Ausflug möglich, egal wie abgelegen das Ziel war. Ein eigenes Auto haben wir nur sehr selten vermisst und die Art des umweltfreundlichen Transports genossen. Besonders, wenn der Taxifahrer schwärmte, selbst schon in Deutschland gewesen zu sein oder unseren Humor verstand. Wenn der Busfahrer jeden Gast herzlich begrüßte, verabschiedete und einen schönen Tag wünschte.

Missen möchte ich den hervorragenden Lieferservice, für alles was das tägliche Leben vereinfacht, nicht mehr. Lebensmittel, frisches Obst und Gemüse, Wassergallonen, Pakete aus Deutschland, alles wird direkt vor die Wohnungstür geliefert und vorher sogar mit SMS angekündigt. Und sollte man einmal nicht vor Ort sein, wird es einfach noch einmal versucht oder angerufen. Es ist hier kinderleicht Bestellungen aufzugeben. Ein wahrer Luxus, wenn man nicht alles mit dem Fahrrad besorgen muss, vorallem bei den tropischen Temperaraturen.

Dankebar sind wir für ein Jahr, in dem fast alles möglich war. Schule, bis auf wenige Tage am Ende des Schuljahres, im Klassenzimmer, mit LehrerInnen und kompletter Schulklasse, Schwimm-AG, Koch-AG, … Da beschwerten wir uns nicht, dass Masketragen ein „Muss“ ist, Ausflüge und größere Feste oder Veranstalungen nicht stattgefunden haben, wenn im Heimatland die Schulen mehrere Monate geschlossen blieben.

Wie liebe ich das Grün dieser Stadt, dass einem quasi an jeder Straßenecke entgegenwächst. Selbst beim Blick nach oben, in mitten der Hochhäuser, entdecke ich immer wieder Bäume auf den Gebäuden oder Pflanzen an den Hausfassaden. Die riesigen Blätterdächer der Stadtbäume spenden Schatten und kühlen die Hitze des Tages ein bisschen herunter. Überall gibt es kleine und größere Parkanlagen, die alle penibel gepflegt sind. Den Botanischen Garten in Laufdistanz zu haben, ist ein wahrer Schatz. Morgens eine Runde dort zu drehen oder Yoga in der Gruppe, Abends ein Picknick mit der Familie, selbst zum Fotografieren finde ich dort immer wieder Motive. Ohne diese grünen Oasen wäre es wirklich keine attraktive Stadt.

Die Erwartungen hinsichtlich Reisen in Asien waren hoch und wurden jäh im Keim erstickt. Nichts war möglich, selbst die kleinen indonesichen Inseln vor der Stadt oder die Grenze nach Malaysia quasi vor der Haustüre rückten in unerreichbare Ferne. Für die kleine Flucht mussten dafür die Stadtviertel „Little India“, „Chinatown“ und „Arabquarter“ herhalten. Dort gibt es alles was das Herz auf Reisen begehrt, authentisches Essen, freundliche Menschen, Souveniers für die Lieben zu Hause und sogar ein bisschen Feststimmung an den Feiertagen. Ich tauchte immer wieder gerne kurz in diese nahe Ferne ein, was mir das Fernweh ein wenig leichter ertragen ließ.

Überhaupt hielt uns die Vielfalt an Geschmacksmöglichkeiten hier davon ab, die Heimat oder das Reisen zu vermissen. Wer will kann jeden Tag ein anderes Land entdecken, hier gibt es wirklich alles, sogar Weißwurst und Sauerkraut. Nachdem die asiatischen und arabischen, indischen und europäischen Sehnsüchte gestillt waren, hieß es endlich das Thema „Backen mit Sauerteig“ anzugehen. Und siehe da: es ist gar nicht schwer. Die Familie und auch Freunde genießen die Brotvarianten, die mittlerweile in der heimischen Küche aus dem Ofen kommen. Keine Zeit zum Reisen planen und unternehmen hat den Vorteil, dass genug Zeit zum Brotbacken vorhanden ist. Außerdem ist es eine Art Meditation für mich geworden und manchmal stehe ich Abends sogar noch einmal aus dem Bett auf, um den Vorteig für den nächsten Morgen anzusetzen.

Schätzen gelernt habe ich hier das unglaubliche Organisationstalent, was einem „typisch deutschen Bürger“ mit Sinn für Ordnung und Regelungen sogar ein bisschen zu viel des Guten erscheint. Allein die Ankunft und Organisation der Quarantäne inklusive Test zeigten uns, hier gibt es kein Entkommen. Die sich dauernd ändernden Maßnahmen für Covid wurden penibel durchgezogen und von allen eingehalten. Wenige Ausreißer hart bestraft, was es wohl vereinfachte. Aber als ich zum Beispiel eine kleine Nebentätigkeit anmelden wollte, ging das alles online und innerhalb von 24 h, ebenso die Abmeldung. Die Steuererklärung begreift wirklich jeder und Service bzgl. Erinnerungen an Arzttermine gibt es sogar doppelt, per SMS und Email. Manchmal kam man sich zwar wie ein Schulkind vor (besonders bei den vielen Verbots- und Hinweisschildern), aber vermutlich funktioniert es hier sonst einfach nicht anders. Wir sind froh, dass auch uns Ausländern hier im Land kostenlose Impfungen angeboten werden und auch für uns fast alle Vergünstigungen für Veranstaltungen oder Museumsbesuche gelten.

Wenn mir hier doch ab und zu alles zu bunt, zu voll und zu eng wird, baue ich in meine Fototouren einen Tempelbesuch ein oder gehe gezielt in ein buddhistisches Kloster. Selbst wenn ich nicht an eine der vielen Gottheiten glaube und mir ein Leben nach dem Tod vorstellen kann, die Art der Religionsausübung in Asien fasziniert mich seit Indien immer wieder aufs Neue. Nicht nur die Ruhe (mit Ausnahme der indischen Tempel) und das Nachdenken, manchmal sogar Einsamkeit in den Gebäuden, die zarten Kläge singender Mönche, der Duft von Räucherstäbchen und der stille Kontakt zu den Gläubigen beruhigen auf eine besondere Weise. Dankbar für diese Stunden gehe ich zurück in den Tumult der Großstadt, nicht ohne innerlich im Herzen und auch unter der Maske mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Ein buntes erstes Jahr in Singapur geht zu Ende. Es hat uns viele Möglichkeiten geboten, die wir gerne wahrgenommen haben. Es hat uns sehr deutlich seine engen Grenzen aufgezeigt. Es hat uns auf ein Neues gelehrt, wie wertvoll Freiheit und Demokratie sind. Es hat meine Geduld herausgefordert und meinen Umgang mit Wut, Enttäuschung und Machtlosigkeit gestärkt. Vielleicht war das Jahr auf dem Schiff „Singapur“ nicht umsonst, wie ich manchmal denke. Auch wenn die Wogen ein ständiges Auf und Ab der Gefühle bedeuteten, ich sehe es eher als Gewinn an, hier sein zu dürfen. Denn diese Erfahrungen kann einem keiner nehmen und sie stehen jeden Tag vor der Haustür und warten darauf gemeistert zu werden.

Eine kleine Statistik:

  • vier Geburtstage gefeiert
  • fünf Pakete und viele Briefe, Postkarten aus Deutschland
  • ein Besuch in der Notaufnahme des Krankenhauses
  • 860km auf dem Rennrad
  • 440 GB Fotomaterial (ohne IPhone-Bilder)
  • zwei neue Schreibtische für Homeoffice
  • ca. 2 kg Dumplings pro Person :-) verspeist
  • 36 Reinigungen des Staubsaugerroboters (seit Mai 21)
  • vermutlich 200kg Mehl verbacken
  • 8 Impfdosen erhalten (bis August)
  • kein Flug
  • 10 neue Kundenkarten
  • 32 neue Apps
  • 4.336 Punkte in der TaxiApp 1 und 767 Punkte in der TaxiApp 2
  • 22 Vorlesungen zum Thema Interkulturelle Kompetenz
  • ungezählte Onlinemeetings (way to much)
  • ungezählte Stunden mit alten und neuen Freunden

Selig sind die, die nichts erwarten, denn sie werden nie enttäuscht werden.

Alexander Pope

Und da wir als Gäste dieses Landes auch den Hype um den bevorstehenden Nationalfeiertag respektieren, unterstützen wir die dafür extra komponierte Hymne natürlich auch. Sie ist genauso wie Singapur sich sieht und sich die Einheimischen fühlen. Voller Stolz auf ihren kleinen roten Punkt auf der großen Landkarte der Welt.

PS: Die Sängering hatte mit Sicherheit eine Ausnahmengenehmigung zum Singen ohne Maske im Bus.

Kein Jahr zum Abhaken

Januar

Als ob es der Januar schon geahnt hat, dass 2020 Licht und Schatten bereithalten wird. Für uns und die gesamte Welt. Keiner wird dieses Jahr wohl vergessen. Und als hätte ein Umzug von Deutschland nach Singapur nicht schon genug Aufregung bedeutet, schaffte es ein winzig kleines Virus, uns auf dem Weg dorthin noch den einen oder anderen Stein in den Weg zu legen. Am Beginn jeden Jahres sollte ich immer einmal etwas länger in den Spiegel schauen. Was war ? Was kommt? Wer war ich? Wer werde ich sein?

Das Auge

Die Welt ist eine große Seele
Und jede Seele eine Welt;
Das Auge ist der lichte Spiegel,
Der beider Bild vereinigt hält.

Und wie sich dir in jedem Auge
Dein eignes Bild entgegenstellt,
So sieht auch jeder seine Seele,
Sei eignes Ich nur in der Welt

Emil Rittershaus

Februar

Sie drängen in die Welt. Zu Beginn schmerzhaft für mich, danach in einer immerwährenden Intensität an Liebe, die erwidert werden will. Ein Jahr voller Abschiede und einem erneuten Neuanfang haben sie zusammen gemeistert. Stark, fordernd, beharrlich, aber auch schüchtern und zweifelnd, vorwurfvoll, die Palette der Gefühle wurde ausgereizt. Gut so! Den Reichtum an Erfahrungen kann ihnen niemand mehr nehmen. Ein bisschen werde ich noch wachen über sie. Wenn auch immer öfter im Hintergrund. Ich bin unendlich dankbar für diese beiden Töchter in meinem Leben.

Es ist ein Rausch, Mutter zu sein, und eine Würde, Vater zu sein.

Sully Prudhomme

März

Und dann war alles anders, nichts ging mehr. Covid-19 hält die Welt in Atem, hält sie an, bringt alles durcheinander, zeigt uns die Grenzen unserer Globalisierung. Definiert Bedürfnisse neu. Schweißt auch unsere Familie noch mehr zusammen. Lässt uns auch zweifeln, an der Entscheidung, Deutschland noch einmal den Rücken zu zukehren, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Reise ins Ungewisse wagen? Warum nicht?

Das macht’s vor allem,
daß dem Sturmesweh’n
die leichten schwanken
Halme widersteh’n.
daß sich im dicht
geschloß’nen Ährenfeld
ein Halm am andern hält.

Wilhelm Müller-Rüdersdorf

April

Gänseblümchen zeigen mir immer, alles kommt wieder. Jedes Jahr. Unermüdlich, mit dem ersten Sonnenstahl stehen sie im Gras. Da kann auch der Rasenmäher nichts ausrichten, sie sind die wahren Überlebenskünstler. So klein und zart, erinnern einen immer an die Kindheit, als Kränze für das Haar mit ihnen gebunden wurden. Die nahe Umgebung entdeckten wir nach unserem ersten Auslandsabenteuer noch einmal richtig intensiv. Wir wussten es sehr zu schätzen, danach die Natur immer direkt vor der Haustüre zu finden. Wald, Wiesen, Felder … es braucht nicht viel zum kleinen Glück. Und manchmal reicht schon ein Gänseblümchen im Sonnenschein.

Gras wogt. Es treiben
Gedankenschmetterlinge
auf dem Gräsermeer.

Stephan Dreyer

Mai

Reisen ausgesetzt, Flugverkehr eingestellt. Die Ferne liegt nah in diesem Jahr. Das Land der Vögte ein Sehnsuchtsort, immer wieder. Gutes bleibt, jahrzehntelang. Tradition hat für mich dort eine große Bedeutung. Feste werden gefeiert und Rituale gepflegt.

Seit 1880 werden in Oelsnitz Teppiche für die ganze Welt produziert. Die Halbmondwerke überstehen sogar die Wendejahre und bestehen, wenn auch nicht mehr in den alten Gemäuern weiter. Das verlassene große Anwesen liegt brach, dem Verfall preisgegeben. Bei Regen und Nebel versprüht es einen mystischen Charme. Ich stelle mir an diesen Orten oft die Vergangenheit vor, wie viele Menschen hier gearbeitet haben, tagtäglich, jahrein jahraus. Was hätte aus den Gebäuden entstehen können, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre. Meine Fotos halten einfach den Moment am 23. Mai 2020 fest. Wenn einmal alles abgetragen und dem Erdboden gleich gemacht ist, werden sich die Menschen nur noch Bilder von diesen Orten anschauen können.

Man muß die Zukunft im Sinn haben und die Vergangenheit in den Akten.

Charles-Maurice de Talleyrand

Juni

Unerwartet schön und still überraschte mich Brandenburg. Eine ganze Woche hatten wir Zeit und Muse für die vielen kleinen Perlen, die in der Landschaft verstreut vor uns lagen. Meine Bildergeschichte dazu kann man hier nachlesen: http://lebenrolle.de/?p=6322

Alles ist Vorstellung, und diese hängt von dir ab. Räume denn, wenn du willst, die Vorstellung aus dem Weg, und gleich dem Seefahrer, der das Vorgebirge umschifft hat, wirst du unter Windesstille auf ruhiger See in die wogenfreie Bucht einfahren.

Marc Aurel

Juli

Tatsächlich soll es ein bisschen an das Plattencover der Beatles erinnern. „Heading To The East“ – könnte ich es nennen. Es wurde Zeit Abschied zu nehmen von der Familie, die wir zurücklassen müssen, für eine Weile zumindest. Natürlich fällt uns das nicht leicht, in diesen Zeiten noch viel mehr. Weit entfernt zu wohnen, bedeutet auch, im Notfall nicht gleich vor Ort sein zu können. Die Rückkehr oder Besuche hier in Singapur werden zusätzlich erschwert, durch die Ristriktionen aufgrund der Pandemie. Umso intensiver verbringen wir die letzten Tage mit den Lieben und sehnen einem baldigen Wiedersehen entgegen.

Erfüllung ist ein Grat zwischen Ankunft und Aufbruch –
so lange man nicht satt ist.

Christoph Rogmann

August

Am 9. August feierte Singapur seinen 54. Geburtstag, eine junge Nation. Stolz sind hier alle auf ihren Little Red Dot und am Nationalfeiertag trägt man rot-weiß, zumindest die Fahne sollte dabei sein, wenn man sich mit den vielen Menschen am Straßenrand versammelt und die vorbeifahrende Militärparade bestaunt. In Zeiten der Pandemie gab es mehrere kleinere verteilt über die Stadt, so dass dem Gedränge entgegen gewirkt wurde. Die Krankenwagen der Stadt führten die Parade an und wurden auch hier mit Applaus für ihren Einsatz gewürdigt. Wir mischten uns unter die Einheimischen und genossen nach vielen Wochen des Wartens, der Aufregung, des Abschiednehmens und der Quarantäne einen ersten besonderen Tag in dieser außergewöhnlichen Stadt.

Es ist die Hoffnung auf ein gutes Ankommen,
das uns den Mut gibt, aufzubrechen.

Kurt Haberstich

September

Ich hatte nicht erwartet, so schnell wieder „reisen“ zu dürfen. Mit der U-Bahn brauche ich vier Stationen und steige in Little India aus. Noch ein paar Stationen weiter und ich gelange nach Chinatown. Im arabischen Viertel mischen sich gleich mehrere Länder in einigen kleinen Straßen. Fasziniert von diesem Kulturen- und Religionenmix bin ich nach gut 6 Monaten hier im Inselstaat immer noch. Auch wenn die Bevölkerungsgruppe chinesischer Abstammung die Größte ist, werden alle anderen respektiert und toleriert. In den seit kurzem zum Weltkulturerbe ernannten Hawkercentern finden sich Gerichte der kompletten asiatischen Küche. Ein Genuss für alle Sinne ist dieser kleine Tropenstaat.

Kultur beginnt im Herzen jedes einzelnen.

Johann Nepomuk Nestroy

Oktober

Fragil schweben sie durch die künstlich erschaffene Meereswelt im Aquarium auf Sentosa Island. Blaue Quallen habe ich in dieser Form noch nirgendwo bestaunen können. Vieles hier ist künstlich, eine ganze Insel wurden aufgeschüttet, nur um Strände , Freizeitparks und Wohngebiete zu schaffen. Zwei gigantische Gewächshäuser mit Wasserfall und Wüstenbäumen. Vor deren Türen warten künstliche Bäume auf Besucher, die Abends aufwendig beleuchtet sind. Spielplätze und Parks, Botanischer Garten, Seen – alles von Menschenhand gestaltet und gepflegt. Beim letzten Museumsbesuch wuchsen künstliche Blumenwelten unter unseren Füßen, je nachdem wo wir standen. Wer Wildniss möchte muss suchen oder ins Nachbarland fahren. Zu den wenigen verlassenen kleinen Waldgrundstücken ist der Zutritt oft untersagt. Die Natur wird hier trotzdem respektiert und beschützt. Mehrere Otterkolonien gibt es in der Stadt, die immer Vorfahrt haben, sollten sie sich auf einen der vielen Parkwege verlaufen. Wildschweine und Affen, Warane und Fledermäuse leben in der Stadt. Auch die eine oder andere Schlange und jede Menge Krabbeltiere. Die kleinsten haben es schwer, regelmäßig wird mit giftigem Nebel gegen sie angekämpft. Und die Mückenbekämpfung ist Staatssache, Denguefieber ein Dauerproblem. Da kommt auch schon mal der Kontrolleur vorbei und schaut nach, ob offenes Wasser auf der Terrasse oder dem Balkon steht. Früchte und Blätter zu pflücken oder aufzuheben ist übrigens verboten.

Die richtig freie Natur fehlt trotzdem. Es geht eben nichts über einen Spaziergang im duftenden Nadelwald, über frisch gemähte Getreidefelder oder eine Blumenwiese. Werden wir irgendwann wieder erleben dürfen. Bis dahin bestaunen wir die Tropenflora und Fauna.

Eine große Entdeckung des Menschen ist das künstliche Licht. Leider erkennt er das echte Licht oftmals nicht mehr.

Rita Kubla

November

Wagnisse einzugehen trauten sich in diesem „jungen“ Land auch die Stadtplaner, Architekten und Bauherren. An vielen Ecken und Plätzen kann ich hier Gebäude bestaunen, die in Deutschland schon alleine eine Ausnahme bilden würden. Immer wieder beeindruckend natürlich das wie ein futuristisches Schiff oder Ufo anmutende Marina Bay Sands Hotel. Dessen Bau war 2010 wohl eine der teuersten Investitonen in der Stadt. Der Architekt hat ebenfalls das nebenan stehende ArtScience Museum in Form einer Lotublüte designt. Mehr Charm und Nostalgie versprühen die noch zahlreich vorhandenen bunten kleinen Stadthäuser, die mittlerweile unter Denkmalschutz stehen. Auch in Singapur gilt für jeden Neubau müssen Grünflächen angelegt werden. Diese finden sich mittlerweile ebenso in lufitgen Höhen und an Hausfassaden. 120 Hektar Skyrise Greenery ist so bereits gewachsen. Die Singapurer lieben ihre Stadt und entdeckten während der Pandemie wie so viele das Radfahren wieder. Auch wenn wir zu unseren Radtouren oft sehr zeitig aus dem Bett müssen, um dem Verkehr zu entgehen, fühlen wir uns auf den Touren schon als Teil der Community. Die Stadt / das Land habe ich in den letzten drei Monaten quasi schon vier Mal umrundet. Ein paar Runden mehr kommen im nächsten Jahr sicher noch dazu.

Das Leben verfliegt nirgends so schnell wie an der Oberfläche, am großen Äquator der Dinge, wo die Rotationsgeschwindigkeit bekanntlich relativ am höchsten ist.

Peter Rudl

Dezember

Das Jahr des Büffels oder Ochsen steht in den Startlöchern. Am 12. Februar 2021 darf das Jahr der Ratte gehen. Der Büffel ist an der zweiten Stelle der chinesischen Zodiac-Tiere. Vor langer Zeit beschloss der Jade-Kaiser, dass die Reihenfolge der Tiere je nach Reihenfolge ihrer Ankunft zu seinem Fest bestimmt würde. Der Büffel wäre der erste gewesen, doch die Ratte überlistete ihn. Sie überredete ihn, sie reiten zu lassen, und als sie fast angekommen waren, sprang die Ratte runter und kam noch vor ihm an. So wurde der Büffel Zweiter. Der Büffel ist ein Symbol der harten Arbeit, Frieden und Gerechtigkeit.

Da wir keinen Büffel gefunden haben, darf die Ziege aufs Foto. Und unser Mann im Haus, der in diesem Jahr unermüdlich alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hat, um uns dieses Abenteuer in Singapur zu ermöglichen.

Unser Leben ist ein stetes Neubeginnen. Entscheidend ist nur, daß man den Mut nicht verliert.

Robert de Langeac
Auf ein mutiges und gesundes Jahr 2021.