Projekt Nr. 3 – Back to the roots

Für das dritte Projekt in diesem Jahr hatte ich mir eigentlich das Thema „Automaten“ vorgenommen, allerdings ermunterte mich dieser fotografisch eher uninteressante Februar so gar nicht, Automaten zu suchen. Ein paar Exemplare habe ich abgelichtet und auch schon eine kleine Sammlung im Archiv jetzt, vielleicht lasse ich den November dann dafür herhalten, der Fotografen gelegentlich ebenfalls in ein Motivationsloch fallen lässt.
Aber Archiv war ein guter Stichpunkt, da gab es doch diese alte Briefpapierkiste meiner Mama, die schon seit einiger Zeit in meinem Schrank auf ihre Neuentdeckung wartete. Am Sonntag zog ich sie hervor und belustigte mich eine gute Stunde zusammen mit meiner kleinen Tochter an den teilweise sehr alten Aufnahmen. Die Oma meiner Oma war das älteste Foto (natürlich im Brautkleid), das wir gefunden hatten. Es sieht sehr historisch aus und in ein paar Jahrzehnten wäre es sicher ein wunderbares Ausstellungsstück in einer Ausstellung „Hochzeitsfotografie im Wandel der Zeit“. Überhaupt haben sich in der Kiste sehr viele Fotos von Feierlichkeiten gefunden, früher waren es eben doch eher die besonderen Tage, die mit der Kamera festgehalten wurden. Auch einige Aufnahmen von Reisen sind darunter und zu unserer besonderen Freude ganz normale Alltagssituationen.
Mein Großvater hat sehr gerne fotografiert und uns in unzähligen Dias einen kleinen Schatz hinterlassen. Auch mein Vater griff immer wieder gerne zur Kamera und wollte sogar selbst einmal Fotograf werden. Der Faible für die Fotografie wurde mir also quasi in die Wiege gelegt und auch als Model war ich schon als Baby ein kleiner Star, was allerdings wohl eher der Tatsache herrührte, dass ich das erste Enkelkind war, dass mein Opa ablichten durfte.

Babyfoto
Mit großen Augen die Welt erkunden – Babymodel Sandra

Mit 20 hat man noch Träume, so wohl auch mein Vater, der hier so fröhlich ins Bild lacht, wohl den Sommer genießt und seine Liebe. 4 Jahre später war er dann bereits Vater geworden. Ich bin sehr dankbar, dass es Fotos aus dieser Zeit von ihm gibt. Wir hatten leider nur 27 gemeinsame Jahre, viele Erlebnisse danach konnten wir nicht mehr zusammen teilen. Auch für meine Töchter ´finde ich es jetzt schön, wenigstens Fotos von ihrem Opa zeigen zu können.

Manfred
1970 – mein Vater Manfred – damals 20 Jahre alt

Das Mädchen hinten im Bild mit den langen Zöpfen ist meine Mama, davor hält meine Oma die Ziege fest, beide sind ungewöhnlich festlich angezogen. Welcher kleine und große Mann das Tier bestaunen weiß ich nicht, ich werde nachfragen und hoffen, dass sich meine Mutter an diesen Tag erinnert. Auf dem Dorf aufgewachsen lebte sie die richtige Idylle des bäuerlichen Lebens. Mit frischer Milch, eigenen Eiern von glücklichen Hühnern und Gemüse aus dem Garten. Geschlachtet wurde auf dem Hof und die Speisekammer war immer reich gefüllt.

Ziege
Die Ziege ist ein Star – Dorfleben pur

Mit 18 zog es meine Mutter in die Stadt, das Vogtland war die Wahl, hier konnte sie studieren und lernte meinen Vater kennen. Die Dorfidylle wurde eingetauscht und so gab es immer wieder Besuche beider Seiten, im Sommer lebten wir Kinder eine Zeit lang bei Oma auf dem Land und an Weihnachten kam sie dann zu uns in die Stadt. Nachdenklich hat sie der unbekannte Fotograf hier erwischt, ich mag das Foto gerade deshalb so sehr, es ist ein echter Schnappschuss.

Dorli
Nachdenklich – Dorothea

Eine Hochzeit ist immer das Erlebnis nicht nur für das Brautpaar, die ganze Familie freut sich und wie in diesem Fall auch der Fotograf, der diesen Moment des gerade frisch vermählten Paares festhalten konnte. Hier heiratete die Schwester meiner Oma ihren Mann aus Holland, wo sie dann auch lebte. Das Schicksal meinte es nicht gut mit den beiden, mit nur 46 Jahren verstarb die schöne Helma an Krebs. Gerne hätte ich den beiden ein langes und glückliches Leben zusammen gewünscht.

Helma
Just married – Glücklich in die Ehe

Es gibt sogar ein richtiges Straßenfotografie-Foto aus alten Tagen. Mein junger Vater kauft hier drei Pfirsiche auf einem Straßenmarkt vermutlich in Ungarn. Dorthin durften sogar DDR-Bürger damals reisen und bei jungen Leuten war das Land sehr beliebt. Manchmal konnte man sich dort sogar mit den Verwandten aus dem Westen treffen. Nach dem Mauerfall reisten meine Eltern richtig oft und ich denke es wäre für ihr Leben besser gewesen, wenn das auch in jungen Jahren öfter möglich gewesen wäre.

Ungarn
Auf dem Markt in vermutlich Ungarn.

Und es war Sommer, herrlich diese Aufnahme von einem entspannten Kaffeeklatsch an der Talsperre Pöhl. Wir hatten wohl einen Bungalow gemietet und es war ein schöner Sommertag. Die Männer zeigen stolz ihre Brust und ich darf einen vollen Löffel auf der Nusspli-Dose naschen, die der Westbesuch mitgebracht hatte. Für uns DDR-Kinder immer Höhepunkte in der Süßigkeitenwelt, dann gab es besondere Sachen zum Essen und wenn wir Glück hatten bekamen wir sogar ein bisschen Westgeld geschenkt für einen Einkauf im Intershop. Lange her, jetzt gibt es alles im Überfluss und immer verfügbar. Das Besondere an manchen Dingen muss man sich jetzt mit Verzicht erarbeiten, dann schmeckt sogar das Nutella wieder wie damals.

Schokolade
Kein Nutella, egal Hauptsache aus dem Westen.

Und dann habe ich sogar noch eine echte Doppelbelichtung unter allen Fotos entdeckt. Mein Vater in einem seiner Lieblings-T-Shirts, an das ich mich noch gut erinnern kann. Entweder war der Fotograf auch schon etwas angeheitert bei der Aufnahme, denn es sieht schwer nach Party aus, oder es ist eben einfach so passiert. Das mochte ich an meiner Kindheit und Jugend, es wurde sehr viel gefeiert in unserem Haus, Hof, Garten, Urlauben, …, oft einfach so, spontan und ohne Grund.

Doppelt
Doppelbelichtung

Wer sich auf dem Beitragsfoto am Anfang genüsslich im Schlafanzug räkelt oder auf dem Sofa eingeschlafen ist, keine Ahnung. Das Foto war zur Hälfte zerschnitten, der Kopf gar nicht auf dem Bild zu sehen. Manche Bilder sollen einfach ein kleines Geheimnis bleiben, die Fantasie anregen oder einen einfach nur zum Schmunzeln bringen.