„Geh Du vor“, sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört er nicht. Vielleicht hört er auf Dich.“ „Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für Dich haben“, sagte der Körper zur Seele.
Ulrich Schaffer
Der Körper, Hülle der jungen Frau, muss schon leisten in diesen Zeiten. Der Geist, schwirrend in jeder Faser, muss alles geben in diesen Zeiten. Am Anschlag, zum Zerreißen gespannt – beides. Wer gibt als erstes auf?
Erschöpfung, Verdrängung, Verzweiflung, Verweigerung – Zusammenbruch. Die Pause war doch fast ein ganzes Jahr, bis dieser Kreislauf von Neuem begann. Rückzug auf die Urbedürfnisse, Nahrung für Körper und Seele sind gefordert.
Ohnmacht, Hilflosigkeit, Bedauern, Reaktionen – Liebe und Zuversicht schenkend. Eine Herausforderung für alle Beteiligten. Mit offenen Arme, Worten und Geduld begleiteten wir sie durch schwere Tage. Ist irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels?
Sie schreit es kraftvoll in die Welt mit all ihren Sinnen, ich bin stark, eine Kämpferin, ich werde es überwinden, ich kann mir helfen lassen und lernen mir selbst zu Helfen. Prozesse starten, verändern das Denken und ihr Handeln. Geben Kraft für alles was vor ihr liegt.
Die Schönheit der Welt, die Magie des Zufalls, die Liebe von Menschen – sie kann es wieder sehen, spüren und annehmen. Die dunklen Schatten der vergangenen Monate streifen sie ein letztes Mal bevor sie sich in Luft auflösen. Sie dürfen gehen!
Ursprünglich wurden diese Fotos als Hausaufgabe zu einer Textpassage aus dem Buch „Eine schöne Geschichte der Fotografie“ von Péter Nádas konzipiert.
Wo seid ihr nun, Städte, mühsam aufgeschichtet, Häuser, über gähnenden Gassen aufgetürmt, getürmte Kirchen, aufstarrend ins Blau, Paläste, Kuppeln, qualvoll emporgerissen? Und ihr, junge Menschen, gebäumte, aufstürmende Kinder, die leeren Hände steil emporgeworfen, emporgeworfen die heißen, vorzeitigen Gesichter, die schreienden Münder aufgewölbt, wo bist du, beraubte, entwurzelte Jugend mit der großen, rührenden Gebärde ins Leere hinein?
Maria Waser (1878 – 1939)
Die Baumaschinen empfangen mich schon an der Haltestelle, an der ich meinen Bus verlasse. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die „Church of the Blessed Sacrament“ deren hellblaue Dächer von der Straße aus gut sichtbar sind. Direkt daneben der Sri Muneeswaran Tempel, dessen Geschichte bis ins Jahr 1932 zurückreicht. Zwischen dem Commonwealth Drive und der alten ehemaligen Bahntrasse nach Malaysia, die sich jetzt Green Corridor nennt und zum Wander- und Radweg umfunktioniert wurde, stehen Wohnblocks für mehr als 3.600 Haushalte. TANGLIN HALT.
Die ersten Wohnungen wurden in den 1960er Jahren errichtet, bis 1972 waren alle bezogen. Das Wohngebiet gehört damit zu einem der ersten in Singapur, die vom HDB (Home Development Board) Wohnraum für viele Menschen schafften. Markthalle, zwei Foodcourts, viele kleine Geschäfte, Theater, Communitycenter, ein großer Sportcomplex, Kirche, Tempel, Moschee – alles vorhanden und dankbar angenommen von den Bewohnern.
Bis 2024 wurde die Frist nun verlängert, dann rücken die Abrissbagger endgültig an, alles wird dem Erdboden gleich gemacht, Neues soll entstehen. Höher, moderner, teurer. Viele der alten Bewohner sind bereits ausgezogen und weitere werden es müssen. Umsiedlung in andere HDB Wohnkomplexe. Nach 70 Jahren hier fällt das nicht jedem leicht. Gerade die Älteren hadern mit diesem Schicksal, die Jüngeren finden Gefallen an den neuen Wohnprojekten, die hier entstehen werden. Zweimal durchstreifte ich die Gegend mit der Kamera. Ich mag diese morbide Stimmung, die den Häusern anhaftet. Jede Haustür verbirgt seine Familiengeschichte. Jedes Stockwerk seine kleine Gemeinschaft, die sich jetzt auflösen wird.
Mit Entwurzelungen bin ich vertraut. Prägen quasi mein Leben. Die Oma als Sudetendeutsche vertrieben aus Tschechien, der Opa als Ostpreuße vertrieben aus Polen. Die Mutter verlässt mit 18 die Heimat und bleibt am Studentenort für immer. Tante und Onkel brechen die Zelte in der alten Heimat im Osten ab und folgen den beiden Kindern in den Südwesten. Auch wir suchen unser Glück im „goldenen“ Westen. Die längste Zeit meines Lebens habe ich im Haus der Bäckerei verbracht, danach gab es Umzüge im 2 – 6 Jahrestakt. Ich mag den frischen Wind, der immer wieder in mein Leben bläst. Und doch schwingt da eine kleine Sehnsucht nach Beständigkeit mit, einen Platz zu finden der Heimat sein kann. Oder ist das Vagabundenleben zu sehr verwurzel und mein Schicksal?
Es gibt ein Bleiben im Gehen, ein Gewinnen im Verlieren, im Ende einen Neuanfang.
Aus Japan
In Rückblick waren die Veränderungen in meinem Leben immer die Erfahrungen wert, die mit ihnen einhergingen. Ohne diese Umbrüche wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Zum Wachsen an den neuen Umständen und Aufgaben gesellten Rückschläge und Widerstände. Leben nennt sich das wohl. Je älter man wird, desto schwieriger akzeptiert der eine oder andere Veränderungen. Eine meiner Omas musste im betagten Alter ihr Zuhause verlassen. Auch wenn sie danach näher bei der Familie lebte, die Sehnsucht nach ihrem Dorf war schwer zu überwinden.
Hier in diesem Gebiet wird wahrscheinlich nichts mehr so sein wie es jetzt noch ist. Ich gehe gerne ganz bewusst an solche Plätze und versuche einen kleinen Ausschnitt zu dokumentieren. Spannend für mich ist dabei auch die Recherche, viele alte Fotos von Tanglin Halt finden sich zum Beispiel hier: https://mycommunity.org.sg/guided-tours/my-tanglin-halt-heritage-tour/
Dann bereue ich manchmal nicht schon viel früher mit ernsthafter Dokumentation begonnen zu haben. Immerhin erhalte ich hier die Möglichkeit und als Bonbon einige Stimmen der EinwohnerInnen zu bekommen, erfreut mein Herz.
wenn wir weitergehen sollten wir immer etwas zurücklassen
Anke Maggauer-Kirsche
Eine ältere Frau fragt, was ich hier mache? Fotos, um die Erinnerungen zu bewahren, erkläre ich ihr. Sie ist erfreut und berichtet von ihrem Einzug, da war sie 27 Jahre alt, der Sohn gerade geboren, jetzt ist sie weit über 70 und muss bald ausziehen. Wenn sie die Schlüssel zur neuen Wohnung bekommt, bleiben ihr drei Monate die alte zu verlassen. Die Küche sei zu klein dort, da passt sie nur allein hinein und überhaupt ist das Appartment kleiner. Begeisterung erkenne ich nicht in ihren Worten. Ob sie denn Nachbarn hat, die auch dorthin umziehen werden. Ja, die meisten ziehen in die von der Regierung zugewiesenen neuen Apartments, die nicht so weit entfernt liegen. Dennoch gefiel es hier sehr gut und sie wird es vermissen. Auf ihre alten Tage hatte sie nicht mehr damit gerechnet. Etwas traurig läuft sie in Richtung des kleinen Marktes, ich sehe sie später dort mit anderen älteren Frauen zusammensitzen beim Mittagessen.
Die Geschichte eines Hauses ist die Geschichte seiner Bewohner, die Geschichte seiner Bewohner ist die Geschichte der Zeit, in welcher sie lebten und leben, die Geschichte der Zeiten ist die Geschichte der Menschheit.
Letztlich hat mir irgenwie immer die Neugierde und mit zunehmendem Alter die Akzeptanz geholfen, mich immer wieder neu einzuleben, anzukommen und irgendwann Abschied zu nehmen. Kontakte zu bewahren und Beziehungen zu Menschen aufrecht zu halten, die mir wichtig sind. Ich kenne mittlerweile mehr Bekannte, die nicht stetig am gleichen Ort gelebt haben, vielleicht eine Art Auswahl, die ich unbewusst treffe oder eine Konsequenz daraus, dass ich mich doch mit Gleichgesinnten umgebe? Wer weiß das schon. Wahrscheinlich sind jetzt einfach sehr viel mehr Menschen unstetig und mobil, als noch in meinen ganz jungen Jahren. Die Perspektive zu wechseln schmerz manchmal, aber sie schärft den Blick auf das was mir wichtig ist.
Auch wenn dieses Wohnviertel demnächst nicht mehr existieren wird, die Menschen und ihre Geschichten bleiben bestehen. Sie werden ihren Kindern und Enkelkindern vom Leben in Tanglin Halt erzählen. Ihr Leben weitergeben und vielleicht auf die alten Tage neue Bekanntschaften machen. Wurzeln verliert man nicht, man kann sie aber ausgraben und neu anpflanzen, manche blühen sogar besser am neuen Standort.
Der Baum der Zukunft lebt von den Wurzeln der Vergangenheit.
Spiele das Spiel. Gefährde die Arbeit noch mehr. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts. Sei weich und stark. Sei schlau, laß dich ein und verachte den Sieg. Beobachte nicht, prüfe nicht, sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen. Sei erschütterbar. Zeig deine Augen, wink die anderen ins Tiefe, sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild. Entscheide nur begeistert. Scheitere ruhig. Vor allem hab Zeit und nimm Umwege. Laß dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub. Überhör keinen Baum und kein Wasser. Vergiß die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen, weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama, mißachte das Unglück, zerlach den Konflikt. Bewege Dich in deinen Eigenfarben; bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süß wird. Geh über die Dörfer. Ich komme dir nach.
Peter Handke „Über die Dörfer“
Wirklich alt ist der Sri Lankaramaya Buddhist Temple nicht. Errichtet 1952 in der Michael’s Road ist er damit wohl ein bisschen historisch für Singapur und könnte bestimmt viele Geschichten erzählen über die Zeit vor fast 70 Jahren. Hochhäuser warfen wahrscheinlich noch keine Schatten auf die große weiße Pagode, die auf dem Dach des Tempels mit ihrem grellweißen Anstrich gegen den blauen Himmel den Eindruck vermittelt, man befinde sich irgendwo im Himalaya. Berühigend lächelt einem der übergroße Buddha in Lotushaltung zu und lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dies auch die nächsten 70 Jahre noch zu tun. Im Garten steht ein Lebensbaum, dessen Blüten ihm gefallen und vor seinen Abbildern niedergelegt werden. Leise erklingt Gemurmel auf einem kleinen Gebetrsraum, meditative Musik als Hintergrundrauschen verstärkt diese gelöste Stimmung, die einen hier befällt und warm umschließt. Wer könnte diesen friedlichen Ort nicht mögen?
Im Central Sikh Gurdwara Tempel bedarf es konformer Kleidung, da wird keine Ausnahme gemacht. Bestimmt, aber sehr freundlich der Zugang verweigert. Für den nächsten Besuch muss ein langes Tuch ins Gepäck, um den Kopf zu verhüllen, langes Beinwerk ist ebenfalls von Nöten. Die Straße fragt nicht nach deinem Aussehen, erlaubt fast alles, ist geduldig mit seinen Besuchern. An jeder Ecke neue Ansichten, Aussichten, Einsichten.
Kleinigkeiten wecken Interesse, 1088A – eine sehr lange Straße hat der Postbote hier zu beliefern. Die zwei Damen aus Porzellan warten geduldig auf ein neues Zuhause. Wie viele Augenpaare wohl schon auf sie blickten und dann doch weitergingen. Die kleinen Eckrestaurants warten auf Hunrige, Durstige, Neugierige oder Plaudertaschen. Besen und Hüte haben Pause. Der Verkehr fließt wie ein stetiger Fluss an allem vorbei. Die Bauarbeiter ziehen vom Frühstück zur Baustelle zurück, um Träume von großen neuen Wohnungen wahrwerden zu lassen. Die Hütten der kleinen Dörfer sind Geschichte, die Bewohner von damals wären sicherlich erstaunt über diese enormen Veränderungen. Gut, das einige alte Häuser noch immer dem Bauboom trotzen. Ein lustiger Kakadu redet viel, darf nicht fliegen, sein Paradies ist woanders.
Ein Relikt aus alten Zeiten findet sich kurz vor dem Indischen Tempel. Kohlen werden hier gehandelt, die ältere Frau ist schwarz wie ein Mohr (darf nicht mehr geschrieben werden, gibt es eine bessere Bezeichnung?), sie schuftet hier schon seit den 60ern. Staublunge vermutlich inklusive. Die schön gemusterten Bodenfließen sind überzogen mit Ruß. Früher wurde viel mit Kohlen geheizt, auch dort wo ich aufwuchs musste geschippt werden, eimerweise in den Keller, eimerweise wieder in die Wohnung geschleppt. Sie sortiert die Kohlenstücke in tragbare Säcke zum Verkauf. Bald will sie sich zur Ruhe setzen, es wird wohl keine Nachfolge geben, vermutlich. Kohlen braucht fast niemand mehr.
Vertraute Klänge schallen aus dem Sri Vadapathira Kaliamman Temple, Glockengebimmel, Mantras werden gesungen oder gesprochen. Die Schuhe vor dem Eingang stehen wild durcheinander, Tauben picken in den vertreuten Blüten nach Genießbarem. Hanuman, der Affenkönig wirft einen erhabenen ernsten Blick auf jeden, der hier vorbeikommt. Friedlich faltet er seine Hände zum Gebet. Im kleinen Laden nebenan liegen Kekse und Gewürze, die Verpackung erinnert an die Kindheit der Kohlenfrau. Vielleicht hat sie sich hier ab und zu eine Süßigkeit geholt, während ihre Eltern damals die Säcke füllten.
Ums Eck locken zwei weitere Tempel, die eine Art Zirkusarena bilden. Wilde Tiere, farbenfrohe Dekoration inklusive. Im Leong San See Temple wird vielen Buddhastatuen gehuldigt, die alte Dame im Rollstuhl ist bei der angenehm ruhigen Atmosphäre eingenickt. Gegenüber bespricht sich eine Frau im Tierdruckshirt mit dem Tiger vor dem Sakya Muni Buddha Gaya Temple. Der riesenhafte Buddha im Inneren passt auf kein Foto und erschreckt mehr, als beruhigend zu wirken. Sehenswert ist es trotzdem. Heute nur für Einheimische, die Zeit finden und vielleicht den Schatten suchen.
Serangoon endet oder beginnt in Little India. Dörfer sucht man vergeblich. Das letzte Kampong liegt in Pungol. Es wartet schon auf einen Besuch.
Allerlei streift den Blick auf den letzten Metern, ein bunter Strauß voller Nebensächlichkeiten, die dieses Viertel so lebendig erscheinen lassen. Hinter jeder Straßenecke verbirgt sich eine Gasse voller kleiner Geheimnisse. Wer genau hinschaut findet sein Seelenheil. Nie war der berühmte Mix der Kulturen derart greifbar, spürbar, erlebbar, genießbar, wunderbar. Mögen diese Gassen ihren Charme nicht verlieren und für die kommenden Besucher standhaft der Modernisierung trotzen. Sie hätten es verdient.
Genau hinsehen
Fülle ist nicht immer Fülle. Nur zusammen mit Leere ist Fülle Erfüllung für uns. Das Leben braucht den Platz der Leere, um sich auszubreiten und seine einmalige Gestalt anzunehmen.
Zeit ist nicht Geld, sondern Zeit. Wenn ich der Zeit erlaube, sich mir zu schenken, wird sie mich mit Reichtümern überschütten. Dann wird durch die Zeit die Ruhe und das Glück des Entdeckens möglich.
Beschäftigung ist nicht Bedeutung. Was ich ohne Beteiligung meines Wesens tue, bleibt nur die Tat meiner Hände, meiner Lippen, meines Körpers.
Ein volles Programm ist nicht unbedingt ein erfülltes Programm. Weniger zu tun kann heißen, mehr getan zu haben, wenn es von Herzen kam.
Jeder Weg, der zu etwas führt, führt auch weg von etwas. Ich übe, im Wenigen die Fülle zu sehen.
Mit Religion hatte ich in meiner Kindheit nur sporadisch Kontakt. Die Kinder der DDR hatten keinen schulischen Religionsunterricht. Meine Oma Rosel war evangelisch und besuchte die Dorfkirche, wenn der Pfarrer dort Gottesdienste hielt. Ich erinnere mich daran, ein paar mal während der Sommerferien dabei gewesen zu sein. Hellblaue Bänke gab es in der kleinen Kirche und einen leicht feuchten Geruch dazu. Den Gesang fand ich trotzdem schön. Ich konnte sogar das „Vater Unser“ auswendig, damals.
Mehr war nicht mit Religion in meinem Leben, nahezu alle Freundinnen gehörten keiner Glaubensgemeinschaft an. Nach der Wende ließ sich eine Cousine taufen, bei einer Freikirche, mit Kopf unter Wasser. Ich glaube sie ist keine richtige Anhängerin dieser Religion geworden. Mit einem Gott oder einer Vorstellung von ihm hatte ich immer meine Schwierigkeiten, was sicher auch an der nichtreligiösen Erziehung in meinem Elternhaus lag. Ich glaubte immer an mich selbst und vermute, dass dieser Glaube für mich bis heute ausreicht, um durchs Leben zu kommen.
Indien zeigte mir andere Wege im Glauben und der Religion. Den Hinduismus zu erkunden fand ich spannend und daran teilzuhaben beim Besuch der Tempel oder den Festen für Shiva, Ganesha oder Hanuman. Es wurden Fahrzeuge „gesegnet“ in unserem Haushalt, die tägliche Puja der Menschen empfand ich als ein sehr schönes Ritual. Jeder hatte einen kleinen Altar an der Wand oder vor dem Haus, mit einem Bild „seines Gottes“, den er um Zuspruch und Schutz bittet. Blumengirlanden aus Jasminblüten, Räucherstäbchen und Kerzen werden neben kleinen Essensgaben dort platziert. Auch in China gab es das ab und an zu sehen. Der Buddhismus ist nicht verboten und viele besuchen die Tempel zu Festtagen oder zum alltäglichen Gebet. Für meinen ersten Fototreff wählte ich den Konfuziustempel als Treffpunkt aus. Ich mag die friedliche Stimmung in diesen oft weitläufigen Anlagen sehr, Ruhe inmitten der hektischen Großstadt. Auch die Wuschbäume, -zäune oder -wände empfinde ich als eine schöne Idee, den Menschen Hoffnung zu geben, in schweren Zeiten oder Situationen, in denen die Erfüllung des ersehnten Wunsches zumindest ein kleines Glück verspricht.
In Singapur wird eine multiple Glaubenskultur gelebt und toleriert. Neben Moscheen und Kirchen, stehen indische, taoistische oder buddhistische Tempel, oft direkt nebeneinander. Auch einige Synagogen gibt es in der Stadt. Jeder kann seiner Religion nachgehen, auf kleinstem Raum verschmelzen hier die Kultur- und Glaubensgemeinschaften im wahrsten Sinne. Ich besuche regelmäßig auf meinen Streifzügen durch die Stadt die eine oder andere Glaubensstätte. Ich treffe dort oft auf sehr freundliche und auskunftswillige Menschen, die mir ihren Glauben näher bringen. Rituale erklären, Gottheiten benennen oder mich einladen an einer Zeremonie teilzunehmen. Die meisten Tempel oder Gebäude sind frei zugänglich, an religiösen Feiertagen muss man sich anmelden, einige sind geschlossen, vielleicht weil niemand die Eingangsbeschränkungen und Abstandsregeln kontrollieren kann. Immer wieder darf ich sogar fotografieren, ist es nicht erlaubt, halte ich mich daran. Zu einem kleinen persönlichen Ritual habe ich mich jetzt auch entschlossen und zünde wenn es gestattet ist in den buddhistischen Tempeln einige Räucherstäbchen an. Es sollten immer mindestens drei sein (für Buddha, die Welt und sich selbst) um sie dann in eine der mit Sand gefüllten Schalen zu stecken. Für Wohlergehen, Gesundheit der ganzen Familie und Gerechtigkeit für möglichst alle Menschen auf diesem Planeten oder einfach für meinen eigenen Seelenfrieden tut das manchmal gut.
Die folgende Bilderserie ist bei einem Spaziergang durch Tiong Bahru und die Nachbarschaft dort entstanden. Ich hatte die sich dort befindenden Tempel bewusst in meine Route eingeplant. Alles andere dem Zufall überlassen.
Wie du im Herzen glaubst, so wird dir das Schicksal begegnen;
was du an andern tust, wird dir von andern geschehn.